Liebe direktzu®-Nutzer,

32.000 Menschen haben abgestimmt, mehr als 650 Fragen wurden beantwortet – dies ist die Bilanz der Bürgerdialogplattform „Direktzu Stuttgart 21“, die im September 2010 online ging. Seitdem wurde von unseren Fachleuten detailliert Stellung bezogen zu vielen Themen rund um das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm. Alle unsere Antworten auf Ihre wichtigsten Fragen finden Sie hier auf dieser Plattform.

Seit 2010 hat sich das Projekt grundlegend verändert. Es geht nicht mehr um das „ob“, sondern um das „wie“. Nach Jahren der Planung und des politischen Diskurses treten die Umsetzung des Bahnprojektes und damit die Bauarbeiten immer mehr in den Vordergrund, was an vielen Stellen der Stadt und entlang der Autobahn nach Ulm zu sehen ist.

Für die zunehmenden Fragen rund ums Bauen haben wir ein „Informationszentrum“ eingerichtet, über welches sich insbesondere betroffene Bürgerinnen und Bürger rund um die Uhr an sieben Tagen pro Woche über das aktuelle Baugeschehen informieren können.

Wir freuen uns weiterhin über Ihr Interesse an unserem Projekt.

Beantwortet
Autor Moritz Wuerich am 04. Juli 2011
23741 Leser · 17 Stimmen (-6 / +11)

Durchgangsbahnhof: Kapazität, Architektur, Barrierefreiheit

Stresstest positiv - trotzdem Änderungen an Infrastruktur?

Sehr geehrte Damen und Herren,

nachdem der Stresstest nun (fast) vollendet ist und (allem Anschein nach) positiv für den Bahnhof und die Bahn ausgefallen ist, sind große Erweiterungen an der Infrastruktur nicht nötig. Die große Wendlinger Kurve, eine Verbindung der Gleise von Bad-Canstatt zu denen von Feuerbach oder ein neuntes und zehntes Gleis im Tiefbahnhof sind also nicht mehr nötig.

Wieso führt man solche Baumaßnahmen nicht trotzdem durch? Somit wäre das Projekt noch zukunftsfähiger und erzielte zudem vielleicht auch eine größere Akzeptanz.

Nach der - etwas platten - Rechung aus der Schlichtung, dass man einen Bahnhof für 100 Jahre baue, benötigt man in Stuttgart in etwa 2120 einen neuen Bahnhof. Das wird nicht einfach, wenn kein Platz mehr in der Innenstadt frei ist. Wieso baut man also nicht einfach einen Bahnhof samt Infrastruktur, die über diese 100 Jahre hinaus funktionsfähig bleiben und genügend Kapazitäten bieten.

Außerdem würden bestimmt deutlich weniger Menschen eine zu geringe Leistungsfähigkeit des Bahnhofes monieren, wenn dieser über die tatsächlichen Anforderungen hinaus ausgebaut wäre.

Also: Wenn man eine wirklich zukunftsfähige Infrastruktur will, wieso nimmt man dann nicht noch ein bisschen mehr Geld in die Hand und baut etwas, das nicht nur soviel kann, wie es können muss, sondern noch mehr?

Ich freue mich auf Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen,
Moritz Wuerich

+5

Über diesen Beitrag kann nicht mehr abgestimmt werden, da er bereits beantwortet wurde.

Antwort
von Dr. Volker Kefer am 10. August 2011
Dr. Volker Kefer

Sehr geehrter Herr Wuerich,

bei Ihren Überlegungen zur richtigen, zukunftsorientierten Dimensionierung bei der Planung und beim Bau von Verkehrsinfrastruktur sprechen Sie ein für alle Bauprojekte grundsätzlich abzuwägendes Nutzen-Kosten-Spannungsfeld an. Einerseits soll sich die neue Infrastruktur am tatsächlichen Bedarf orientieren, zugleich aber Reserven für zukünftige Nutzungen haben. Dazu werden in längerfristigen Verkehrsprognosen entsprechende Daten ermittelt, die einen voraussichtlichen künftig erwarteten Bedarf abbilden. Anderseits müssen Steuergelder effizient verwendet werden und können nicht für überdimensionierte Baumaßnahmen eingesetzt werden, für die sich in absehbarer Zeit die entsprechende Nachfrage nicht darstellt.

Bei Stuttgart 21 wurde in langen Jahren der Planung eine Lösung gefunden, die sich an dem prognostizierten künftigen Anstieg der Verkehrsleistungen orientiert. Dabei standen die Überlegungen zur verbesserten Leistungsfähigkeit bereits von Anfang an im Mittelpunkt der Planungen.

Bereits 1994 im Rahmen der Machbarkeitsstudie wurde geprüft, welche Infrastruktur im Bahnknoten Stuttgart die insgesamt beste Lösung darstellt.

Auch in den nachfolgenden Planfeststellungen wurde intensiv über die richtige Dimensionierung des Bahnhofes, des gesamten Stuttgarter Bahnknotens und der weiterführenden Strecken diskutiert. Mit dem jetzt durchgeführten Stresstest ist der Nachweis der Leistungsfähigkeit erbracht.

Darüber hinaus hat der bestandene Stresstest den detaillierten Nachweis erbracht, dass im neuen Stuttgarter Hauptbahnhof auch wesentlich größere Zugzahlen als heute gefahren und zudem Verspätungen abgebaut werden können.

Ein wichtiges Ziel zukunftsorientier Verkehrspolitik ist es, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen. Während heute im Stuttgarter Kopfbahnhof zwischen 7 und 8 Uhr morgens planmäßig beispielsweise 35 Züge ankommen und 18 abfahren, wurden im Zuge des Stresstests bei Stuttgart 21 im neuen Durchgangsbahnhof 49 Ankünfte und 32 Abfahrten nachgewiesen. Damit sind künftig für die Fahrgäste der Bahn in Stuttgart weit mehr attraktive Zugangebote möglich, ohne dass die neuen Anlagen an ihre Grenzen stoßen.

Dabei sieht Stuttgart 21 schon heute einige der Optionen der Zukunft vor. Sollten zukünftig über die realisierbaren Steigerungen hinaus wesentlich mehr Züge fahren, ist Stuttgart 21 dafür bestens aufgestellt. Für den Bau eines 3. und 4. Gleises zwischen dem Hauptbahnhof und Zuffenhausen werden im Zuge der Tunnelbaumaßnahmen die Anbindungen bereits baulich vorbereitet.

Auch ein Bau einer S-Bahn Querverbindung zwischen Feuerbach und Bad Cannstatt kann aufbauend auf die Infrastruktur von Stuttgart 21 zusätzlich gebaut werden.

Für die Leistungsfähigkeit der Bahnanlagen sind aber nicht nur allein die baulichen Voraussetzungen entscheidend. Mit modernen leistungsstarken Fahrzeugen und/oder einer leistungsfähigen Leit- und Sicherungstechnik wird es in Zukunft möglich, die Kapazität einer bestehende Infrastruktur zu steigern.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Volker Kefer - Vorstand Technik, Systemverbund, Dienstleistungen und Infrastruktur der DB