Sehr geehrte Frau Neff,
tatsächlich liegen die ersten Planungen für einen Umbau des Stuttgarter Bahnhofes schon über 20 Jahre zurück. Die aktuelle Diskussion des Vorschlages von Dr.Geissler für eine kombinierte Lösung greift beispielsweise einen Vorschlag von Prof. Heimerl aus dem Jahr 1988 auf.
1988 waren die Überlegungen für einen Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofes ausschließlich durch die Planungen zum europäischen Schnellfahrnetz und somit vom Fernverkehr geprägt. Es galt, im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung für Stuttgart eine zukunftsfähige, direkte Einbindung in das europäische Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsnetz bei gleichzeitiger leistungsfähiger und umfassender Verknüpfung von Fern-, Regional- und Nahverkehr an einem zentralen Knoten sicherzustellen.
Der Vorschlag dieser erweiterten Planungsüberlegungen aus dem Jahr 1988 sah vor, eine durchgängige Neubaustrecke von Stuttgart bis Ulm als wichtigen Bestandteil des europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes entsprechend dem „Europäischen Infrastrukturleitplan“ der EU zu bauen. Gleichzeitig musste der Knotenbereich Stuttgart mit seinem Hauptbahnhof in die Planungen mit dem Ziel einbezogen werden, um diese wichtige Drehscheibe inmitten der Landeshauptstadt für den Fern-, Regional- und Nahverkehr zu ertüchtigen. Die absehbare Engpasssituation im Knoten Stuttgart Hauptbahnhof sollte durch einen Durchgangsbahnhof in Tieflage für die Relation Mannheim – Ulm beseitigt werden. Der bestehende Kopfbahnhof wäre nach diesen ersten Überlegungen also weitgehend unangetastet geblieben.
In den weiteren Planungsdiskussionen zwischen DB, Land und Stadt entwickelte sich das Projekt über mehrere Stufen schließlich zu dem umfassenden „Projekt Stuttgart 21“ als Synergiekonzept von Verkehr und Stadtentwicklung, das im April 1994 erstmals vorgestellt wurde. Die Grundidee dabei ist, mit der Tieflegung nicht nur der Gleise für die Fernrelation Mannheim – Stuttgart – Ulm sondern des gesamten Stuttgarter Hauptbahnhofs, die derzeit von umfangreichen Gleisanlagen belegten Flächen freizumachen und damit gleichzeitig eine historisch einmalige Chance für die städtebauliche Entwicklung der topographisch beengten Kernstadt zu bieten.
Den Anstoß zu Stuttgart 21 gaben also ursprünglich die Planungen zum europäischen Hochgeschwindigkeitsnetz. Durch die mögliche Optimierung der Gestaltung der Gleisanlagen und Netzanbindungen - u.a. auch der Verbindungsschleife vom Hauptbahnhof nach Wangen – Ober-/Untertürkheim - konnte die Deutsche Bahn AG ein Betriebskonzept entwickeln, das sowohl dem Nah- und Regionalverkehr als auch dem Fernverkehr quantitative und qualitative Verbesserungen bietet. Mit durchgehenden Linien im Regionalverkehr und der Fahrmöglichkeit in allen Relationen ohne Richtungswechsel der Züge über den neuen Hauptbahnhof wird eine verkehrliche Optimierung erreicht, die z. B. den Umsteigebedarf minimiert, günstige Umsteigeverbindungen mit kurzen Übergangszeiten und kurze Aufenthaltszeiten für die durchfahrenden Reisenden schafft und somit insgesamt die Reisezeiten minimiert.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Dietrich - Sprecher des Bahnprojekts Stuttgart – Ulm