Liebe direktzu®-Nutzer,

32.000 Menschen haben abgestimmt, mehr als 650 Fragen wurden beantwortet – dies ist die Bilanz der Bürgerdialogplattform „Direktzu Stuttgart 21“, die im September 2010 online ging. Seitdem wurde von unseren Fachleuten detailliert Stellung bezogen zu vielen Themen rund um das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm. Alle unsere Antworten auf Ihre wichtigsten Fragen finden Sie hier auf dieser Plattform.

Seit 2010 hat sich das Projekt grundlegend verändert. Es geht nicht mehr um das „ob“, sondern um das „wie“. Nach Jahren der Planung und des politischen Diskurses treten die Umsetzung des Bahnprojektes und damit die Bauarbeiten immer mehr in den Vordergrund, was an vielen Stellen der Stadt und entlang der Autobahn nach Ulm zu sehen ist.

Für die zunehmenden Fragen rund ums Bauen haben wir ein „Informationszentrum“ eingerichtet, über welches sich insbesondere betroffene Bürgerinnen und Bürger rund um die Uhr an sieben Tagen pro Woche über das aktuelle Baugeschehen informieren können.

Wir freuen uns weiterhin über Ihr Interesse an unserem Projekt.

Beantwortet
Autor Walter Schmid am 02. November 2010
29420 Leser · 39 Stimmen (-6 / +33)

Neubaustrecke Ulm-Wendlingen: Fahrzeiten, Güterverkehr, Magistrale

Abgestimmter Taktfahrplan, optimale Anschlüsse

Sehr geehrte Damen und Herren,

bis jetzt höre ich immmer nur von Beschleunigung des (europaweiten) Fernverkehrs durch Stuttgart 21 und die Neubaustrecke nach Ulm. Von den Anschlüssen entlang der zukünftigen Europa-Magistrale ist kaum die Rede. Es nutzt mir wenig, wenn ich eine halbe Stunde schneller in Ulm bin, dort aber dann eine halbe Stunde länger auf den Anschluss nach Friedrichshafen warten muss. Auf die Gesamt-Reisezeit kommt es an, nicht auf Blitzverbindungen zwischen ein paar großen Knoten. Der größte Vorteil der Bahn gegenüber dem Flugverkehr besteht darin, dass sie die Fläche bedienen kann, das sollte man auch ausnutzen. Bei Strrecken über 1000 km ist das Flugzeug sowieso überlegen.

in der Schweiz hat man bekanntlich zuerst in jahrelanger Arbeit einen idealen Taktrfahrplan mit optimierten Anschlüssen aufgestellt, bevor man das Bahnnetz gezielt ausgebaut hat. Es genügten relativ wenige Großprojekte und viele kleinere Einzelmaßnahmen, um einen größtmöglichen Nutzen bei geringstmöglichen Kosten zu erzielen. Der Erfolg zeigt sich: Enorme Akzeptanz durch das Publikum und Steigerung der Kundenzahl. ÖPV im Stundentakt auch zu kleinen Orten bei geringen Wartezeiten und größter Pünktlichkeit; Halbstundentakt auf wichtigen Strecken. Wegen der demokratischen Beteiligung der Bevölkerung im Vorfeld und wegen des klaren Ziels kaum Widerstand bei der Ausführung.

Meine Frage: Gibt es einen Idealfahrplan für die Fläche mit optimierten Anschlüssen (wenigstens für bestimmte Regionen), an dem sich die Gesamtplanung des zukünftigen Bahnverkehrs und der Neubaumaßnahmen ausrichten?

Mit freundlichen Grüßen

Walter Schmid

+27

Über diesen Beitrag kann nicht mehr abgestimmt werden, da er bereits beantwortet wurde.

Antwort
von Dr. Volker Kefer am 25. Januar 2011
Dr. Volker Kefer

Sehr geehrter Herr Schmid,

ein Bahnsystem macht in Summe nur dann Sinn, wenn für den schnellen Fernverkehr an seinen Haltebahnhöfen Anschlüsse von Zubringerzügen sowie an Abbringerzüge bestehen. Das macht die Schiene gegenüber konkurrierenden Verkehrsträgern stark. Sie können versichert sein, dass sowohl die Bahn als verantwortliches Infrastrukturunternehmen als auch die Eisenbahnverkehrsunternehmen bei der Fahrplangestaltung darauf großen Wert legen.

Auch wir schätzen den Erfolg und den Zuspruch der Bahn, den sie in der Schweiz genießt. Wir sollten aber nicht den Fehler machen, unser Bahnsystem mit dem unseres Nachbarlandes gleichzusetzen. Das wollen wir mit nachstehendem Vergleich der Zahlen aus 2009 verdeutlichen:

Einwohner: rd. 82 Millionen (Deutschland); rd. 8 Millionen (Schweiz)

Betriebslänge des Schienennetzes: rd. 34.000 km (Deutschland); rd. 3.000 km (Schweiz)

Bahnreisende pro Jahr: 1.908 Millionen (Deutschland); 328 Millionen (Schweiz)

Züge am Tag: rd. 31.600 (Deutschland); rd. 9000 (Schweiz)

Sie erkennen selbst, über welche unterschiedlichen Dimensionen wir reden. Thomas Neff, Geschäftsführer der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) GmbH in Deutschland, sagte am 12. November 2010 in einem Interview den Stuttgarter Nachrichten, dass man die Verhältnisse in der Schweiz grundsätzlich nicht mit den deutschen vergleichen könne. In der Schweiz gebe es andere räumliche Verhältnisse. Die drei sogenannten Vollknoten, Zürich, Bern und Basel lägen jeweils eine Stunde auseinander - ideal für ein Taktsystem mit optimalen Anschlussmöglichkeiten zwischen Fern- und Nahverkehr. Das ließe sich wohl nicht 1:1 auf Deutschland übertragen. Durch die Engräumigkeit der Schweiz wäre dies machbar. Und weiter führte er aus, dass es schwieriger würde, sobald die Distanzen größer werden. Je größer die Entfernungen seien, desto mehr Unwägbarkeiten und Verspätungsrisiken gebe es und umso schwieriger sei die Fahrplangestaltung. Herr Neff sagte: „In der Schweiz haben wir die idealen Distanzen für ein Taktsystem. Die Schweiz ist wie eine große S-Bahn mit dem dichtesten Fahrplan in Europa.“

Aufgrund den höheren Einwohnerzahlen und Bahnnutzerzahlen benötigen wir in Deutschland eine Infrastruktur, die in absoluten Zahlen mehr Steigerungen aufnehmen kann. Dafür bauen wir Stuttgart 21 und die NBS Wendlingen-Ulm.

Mit dem Bahnprojekt Stuttgart-Ulm sieht das Land Baden-Württemberg als Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs folgende Angebotskonzeption 2020 vor. Dabei ist auch die Nutzung der Neubaustrecke zwischen Stuttgart und Ulm mit der Regionallinie Würzburg-Friedrichshafen vorgesehen:

Linien

· Schwäbisch Hall-Hessental-Stuttgart-Flughafen-Singen (2-Stunden-Takt)

· Schw. Hall-Hessental-Stuttgart-Flugh.-Rottweil/Freudenstadt (2-Stunden-Takt) Stuttgart-Schw. Hall Hessental-Crailsheim-Nürnberg (2-Stunden-Takt)

· Osterburken-Heilbronn-Stuttgart-Plochingen-Tübingen (Stundentakt)

· Mannheim-Heilbronn-Stuttgart-Plochingen-Tübingen (Stundentakt)

· Aalen-Stuttgart-Flughafen-Tübingen (Stundentakt)

· Würzburg-Stuttgart-Flughafen-NBS-Ulm(stündlich)-Friedrichshafen (zweistdl.) Karlsruhe-Pforzheim-Stuttgart-Plochingen-Ulm-Friedrichshafen-Lindau (stdl.) Karlsruhe/Heidelberg-Mühlacker-Bietigheim-Stuttgart-Flugh.-Tübingen (stdl.) Aalen-Stuttgart-Plochingen-Ulm (Stundentakt)

· Stuttgart-Plochingen-Geislingen-Ulm (Stundentakt)

Die Angebotskonzeption 2020 baut auf die verkehrlichen Prämissen, dass Fern- und Regionalverkehr weitestgehend integral vernetzt sind. Der Integrale Taktfahrplan (ITF) für Baden-Württemberg wird weiterentwickelt. Nachfrageorientiert entstehen auch im Regionalverkehr vermehrt halbstündliche Angebote. Mit dem neuen Durchgangsbahnhof in Stuttgart werden neue attraktive Direktverbindungen geschaffen. Entlang der wichtigsten Verkehrsachsen des Landes kann ein schnelles, komfortables und landesweit aufgespanntes Netz von Interregioexpress- und Regionalexpresslinien aufgebaut werden. Die Oberzentren und Verdichtungsräume des Landes werden damit direkt und umsteigefrei verbunden.

Im Fernverkehr, der die Basis des bundesweiten Fahrplangefüges darstellt, wird es im Tiefbahnhof Stuttgart nach heutiger Planung einen 30-Minuten-Takt geben, der die Umsteigebeziehungen zwischen Fern- und Regionalverkehr wesentlich verbessern wird. Neben dem dichteren Zugangebot fördert die Konzeption des neuen Durchgangsbahnhofs die Umsteigemöglichkeiten und durch den neuen Flughafenbahnhof werden weitere Anschluss- und Umsteigebeziehungen geschaffen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Kefer - Vorstand Technik, Systemverbund, Dienstleistungen und Infrastruktur der DB