Sehr geehrter Herr Krummrein,
Grundlage der Kapazitätsplanung ist das sogenannte Betriebsprogramm. Dieses wiederum basiert auf drei Ausgangsebenen.
Zunächst ist die Neu- und Ausbaustrecke mit ihren beiden Knotenpunkten Stuttgart und Ulm Bestandteil des „Europäischen Infrastrukturleitplanes“ des Internationalen Eisenbahnverbandes Union internationale des chemins de fer (UIC). Dieser stellt den Rahmen dar, in den sich auch die aktuellen Neu- und Ausbauplanungen in der Bundesrepublik Deutschland einfügen. Er definiert das Netz europäischer Magistralen, die mit einheitlichen Kriterien ausgestattet werden sollen. Der von der UIC erarbeitete Leitplan dient den nationalen Eisenbahnen als Planungsgrundlage.
Die zweite Ausgangsebene ist der Bundverkehrswegeplan. Dieser wird vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung aufgestellt und im Bundeskabinett beschlossen. Er enthält alle beabsichtigten Straßen-, Schienen- und Wasserstraßenprojekte. Bei der Aufstellung der Schienenprojekte werden die Länder und die Deutsche Bahn AG beteiligt. Die Projekte des Bundesverkehrswegeplans gehen ein in den Gesetzentwurf zur Änderung der Bedarfspläne. Auf dem Bundesverkehrswegeplan beruhen entsprechende Prognosehorizonte. Wenn die Projekte in den Bundesverkehrswegeplan bzw. in den Bedarfsplan aufgenommen werden, erfolgt dies aufgrund einer sehr frühen Planungsphase, der Grundlagenermittlung. Hierbei liegen noch keine Fahrpläne vor, wohl aber bereits relativ genaue Zugzahlen aus den zugrunde gelegten Verkehrsprognosen. Fahrplanstudien sind Inhalte der späteren Planungsphasen wie Vor- und Entwurfsplanung. Auf dieser Grundlage entstehen die Finanzierungsverträge zur Realisierung der Maßnahmen.
Die weitere Ausgangsebene sind Angebotskonzeptionen der Länder für den Regionalverkehr, für den sie die Ausgaben- und Aufgabenverantwortung tragen.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass bei uns in Deutschland die Infrastrukturplanung auf Grundlage von Prognosen und einem daraus resultierenden Bedarfs beruht.
Es ist richtig, dass bei unseren Nachbarn in der Schweiz die Infrastrukturplanung auf einem konkreten Fahrplan fußt. An dieser Stelle möchte ich anhand der Zahlen aus dem Jahre 2009 nochmals dafür plädieren, die Bahnsysteme Deutschlands und der Schweiz nicht miteinander zu vergleichen.
Einwohner: rd. 82 Millionen (Deutschland); rd. 8 Millionen (Schweiz)
Betriebslänge des Schienennetzes: rd. 34.000 km (Deutschland); rd. 3.000 km (Schweiz)
Bahnreisende pro Jahr: 1.908 Millionen (Deutschland); 328 Millionen (Schweiz)
Züge am Tag: rd. 31.600 (Deutschland); rd. 9000 (Schweiz)
Verkehr: polyzentrisch (Deutschland); monozentrisch (Schweiz)
In einem monozentrischen Land wie der Schweiz, in dem sich die Verkehre vorrangig auf die Metropole Zürich konzentrieren, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Verkehrsströme gravierend ändern viel geringer, als in unserem polyzentrischen Deutschland. Die gravierende Änderung von Verkehrsströmen ist darüber hinaus bei acht Millionen Einwohnern im Vergleich zu 82 Millionen Einwohnern eher unwahrscheinlich. Für einen konkreten Fahrplan im Voraus hat die Schweiz deshalb eine höhere Sicherheit. Denn wenn sich Verkehrsströme verlagern, haben Sie bei einer auf einen konkreten Fahrplan festgelegten Infrastruktur ein Problem.
Mit freundliche Grüßen
Dr. Volker Kefer - Vorstand Technik, Systemverbund, Dienstleistungen und Infrastruktur der DB