Liebe direktzu®-Nutzer,

32.000 Menschen haben abgestimmt, mehr als 650 Fragen wurden beantwortet – dies ist die Bilanz der Bürgerdialogplattform „Direktzu Stuttgart 21“, die im September 2010 online ging. Seitdem wurde von unseren Fachleuten detailliert Stellung bezogen zu vielen Themen rund um das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm. Alle unsere Antworten auf Ihre wichtigsten Fragen finden Sie hier auf dieser Plattform.

Seit 2010 hat sich das Projekt grundlegend verändert. Es geht nicht mehr um das „ob“, sondern um das „wie“. Nach Jahren der Planung und des politischen Diskurses treten die Umsetzung des Bahnprojektes und damit die Bauarbeiten immer mehr in den Vordergrund, was an vielen Stellen der Stadt und entlang der Autobahn nach Ulm zu sehen ist.

Für die zunehmenden Fragen rund ums Bauen haben wir ein „Informationszentrum“ eingerichtet, über welches sich insbesondere betroffene Bürgerinnen und Bürger rund um die Uhr an sieben Tagen pro Woche über das aktuelle Baugeschehen informieren können.

Wir freuen uns weiterhin über Ihr Interesse an unserem Projekt.

Beantwortet
Autor Werner Böhringer am 06. Dezember 2012
17860 Leser · 6 Stimmen (-0 / +6)

Durchgangsbahnhof: Kapazität, Architektur, Barrierefreiheit

Kein Bypass bei Betriebsstörungen im Hauptbahnhof?

Sehr geehrte Damen und Herren

Ich möchte mit diesem Beitrag eine Frage stellen.

Ich verschweige nicht, dass ich dem Projekt Tiefbahnhof Stuttgart sehr kritisch gegenüberstehe. Ein Grund liegt auch in den m.E. viel zu hohen Bau- und Betriebskosten gegenüber den erreichbaren Verbesserungen.

Nun aber zu meinen Fragen und Gedanken:
In allen Plänen oder Skizzen, die ich bislang gesehen habe, gibt es nach wie vor keine direkte Gleisverbindung von Cannstatt über Nordbahnhof nach Feuerbach unter Umgehung des Hauptbahnhofs. Dabei wäre das aus meiner Sicht das allerwichtigste, was der Bahnknoten Stuttgart bräuchte, abgesehen von der überfälligen Bahnhofssanierung.

Fast jede Betriebsstörung im Bereich Hbf hat also auch künftig zur Folge, dass beim Fernverkehr in Esslingen bzw. Vaihingen/Enz umgestiegen werden muss und Regionalzüge gekappt werden mit Umstieg auf die S-Bahnen.

Ein Bypass von Cannstatt nach Feuerbach würde diieses Problem schlagartig lösen. Wenn der 8gleisige Bahnhof in Cannstatt als Ersatzhalt dient, kann die Innenstadt jederzeit schnell mit S-Bahn oder Stadtbahn erreicht werden.

Eine weitere Option diese Bypasses ergibt sich aus der Möglichkeit, z.B. die Linien S 4 und S 5 ab Nordbahnhof über Cannstatt nach Schorndorf bzw. Backnang zu führen, womit auf diesen Strecken zusammen mit S 2 und S 3 ein ganztägiger 15-Minuten-Takterreicht würde.

Außerdem wäre die Stammstrecke zwischen Hbf tief und Schwabstrasse deutlich entlastet. Die Tatsache, dass alle 6 Linien diesen Abschnitt bedienen, ist nicht logisch und nur den jetzigen baulichen Bedingungen geschuldet.

Auf der Stammstreck wäre auch wieder Luft für die Einführung eines 15- oder 10-Minuten-Taktes in der Zukunft.

Der Wegfall des Direktanschlusses zum Hbf tief aus Richtung Ludwigsburg könnte durch alle dort verkehrenden Regionalzüge kompensiert werden bzw. auch durch Umsteigen am Nordbahnhof oder in Cannstatt.

Warum wurde auf diese Möglichkeit in der Planung verzichtet?
Ich halte das für einen echten "Schwabenstreich !"

Ich bin neugierig auf Ihre Antworten und Ihre Meinung dazu.

Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit und
mit freundlichen Grüßen

Werner Böhringer

+6

Über diesen Beitrag kann nicht mehr abgestimmt werden, da er bereits beantwortet wurde.

Antwort
von Wolfgang Dietrich am 01. Februar 2013
Wolfgang Dietrich

Sehr geehrter Herr Böhringer,

ich bedanke mich für Ihre Fragen zu Stuttgart 21, auf die ich gerne eingehe.

Der Konzeption von Stuttgart 21 ging in den 80er und 90er Jahren eine langjährige Prüfung und Abwägung verschiedenster Ausbauoptionen voraus. Zu diesen Überlegungen zählten auch Gedanken, den Stuttgarter Fern- bzw. Hauptbahnhof aus dem Zentrum heraus zu verlagern, beispielsweise nach Bad Cannstatt. Diese Grundsstzstudien wurden letztlich zu den Akten gelegt, da speziell in Bad Cannstatt die von dichter Bebauung umgebenen Bahnanlagen aufwendig unter laufenden Betrieb um- und ausgebaut werden hätten müssen. Insbesondere wäre auch die hervorragende Anbindung des heutigen Hauptbahnhofs an den Großteil des öffentlichen Verkehrs (S-Bahn, Stadtbahn, Busse) ebenfalls an den Neckar verlagert zu verlagern gewesen. Unter dem Strich wäre damit mit enormen Aufwand ein neuer Hauptbahnhof außerhalb des Stadtzentrums entstanden.

Obwohl im Rahmen des Stresstests der detaillierte Nachweis erbracht wurde, dass der neue Bahnknoten zur Spitzenstunde wenigstens 30 Prozent mehr Zugankünfte als die heutigen Anlagen bewältigen und dabei sogar Verspätungen abbauen kann, sind in der Planung von Stuttgart 21 sehr wohl bereits mehrere Ausbauoptionen mit berücksichtigt, um ein langfristig noch wesentlich größeres Wachstum zu bewältigen.

So hat angesichts stetig steigender Fahrgastzahlen der Verband Region Stuttgart bereits in den 1990er Jahren Überlegungen für einige grundlegende langfristige Ausbaumaßnahmen für die S-Bahn im Zentrum der Stadt angestellt. Neben einer S-Bahn-Direktverbindung zwischen Bad Cannstatt und Feuerbach (T-Spange) ging daraus auch das Nordkreuz hervor - ein neues S-Bahn-Drehkreuz am Nordbahnhof. In diesem Zusammenhang würde die Gäubahn im Talkessel als zusätzliche S-Bahn-Stammstrecke genutzt. Darüber hinaus sind mit der P-Option auch zwei zusätzliche Gleise aus Richtung Feuerbach in der Planung berücksichtigt. Unter http://www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de/details/s21-neuor... haben wir weitergehende Informationen zu diesen drei Ausbauoptionen zusammengestellt.

Um langfristig die Realisierung des Nordkreuzes offenzuhalten, wird die Gäubahn-Trasse im Regionalplan als langfristig zu erhalten geführt und damit für anderweitige Nutzungen gesperrt. Falls die Pläne bei einem stark wachsenden Verkehrsbedürfnis in Zukunft umgesetzt werden sollten, würden die Stadt Stuttgart (als Eigentümerin der Gäubahn-Flächen), der Verband Region Stuttgart (als Aufgabenträger der S-Bahn), das Land (als Aufgaben- träger des Regionalverkehrs) und die Deutsche Bahn Gespräche aufnehmen.

Die Realisierung der drei Optionen hängt maßgeblich vom Verkehrs- aufkommen der fernen Zukunft ab. Es wäre nicht wirtschaftlich, lediglich für sehr seltene Betriebsstörungen zusätzliche Infrastruktur zur Umfahrung des Stuttgarter Hauptbahnhofs bereitzuhalten. Nichtsdestotrotz kann der neue Bahnknoten dank seiner zusätzlichen Zufahrten und seiner wesentlich größeren Kapazität mit vielen Betriebsstörungen deutlich besser umgehen als der heutige Kopfbahnhof.

Im Übrigen umfasst Stuttgart 21 nicht nur den neuen Stuttgarter Haupt- bahnhof, sondern allein vier neue Bahnhöfe und mehr als 50 Kilometer neue Gleisanlagen - darunter gut ein Drittel der neuen Schnellverbindung zwischen Stuttgart und Ulm. In der Kombination dieser Teile entfaltet Stuttgart 21 seinen vollen Nutzen, der weit über den bloßen Neu- bzw. Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs hinausgeht.

Ich hoffe, Ihre Frage damit zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben und stehe für Rückfragen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Dietrich