Sehr geehrter Frau Voß,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage zu diesem Thema. Gerne nehme ich dazu Stellung.
Auch wenn hier zwei Themen, nämlich die Leistungsfähigkeit des Bahnhofs mit der Gestaltung und Zugänglichkeit des neuen Hauptbahnhofs vermischt werden, so bleibt das Thema barrierefreie Fluchtwege ein bewegendes.
Vorab soviel: Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Deutsche Bahn AG alle geltenden Richtlinien und Normen berücksichtigt. Die Erschließung der Bahnsteige über Fahrtreppen und Aufzüge wurde unter Berücksichtigung der aktualisierten und erweiterten Personenstromanalyse und des Evakuierungskonzepts vom Architekturbüro Ingenhoven technisch angepasst und weiterentwickelt.
In der zukünftigen Bahnsteighalle sind die vier Bahnsteige über insgesamt drei Fußgängerbrücken miteinander verbunden. Das ermöglicht komfortables und schnelles Umsteigen, weil zu den Brücken bzw. Stegen pro Bahnsteig insgesamt 5 Treppenaufgänge und 3 Aufzüge führen und so eine sehr gute Verteilung der Reisendenströme ermöglicht wird. Die Barrierefreiheit ist somit von allen Zu- und Ausgängen sowie beim Umsteigen auf kurzem Wege gegeben. Mit der großen Zahl an Treppenanlagen und Aufzüge wird somit ein hoher Komfort im Normalbetrieb erreicht. Aber auch im Evakuierungsfall erzielen wir durch die vielen Fluchtwege eine schnelle und sichere Räumung der Bahnsteighalle.
Darüber hinaus steht die Deutsche Bahn AG in engem Kontakt mit Vertretern von Behindertenverbänden und Ihren Fachleuten, um die Belange mobilitäts- und orientierungseingeschränkter Menschen zu berücksichtigen und in die weiteren Planungen einzubeziehen. Der Dachverband Integratives Planen und Bauen (DIPB) hat im Rahmen von Stuttgart 21 das „Bündnis Barrierefreies Stuttgart 21“ gegründet und ist deshalb in den Prozess eingebunden.
Die Barrierefreiheit im neuen Stuttgarter Bahnhof wird mittels Aufzügen umgesetzt. Das bedeutet eine Erschließung, die die Verkehrsanlage für Personen mit Mobilitätseinschränkungen in der allgemein üblichen Weise - wie es der Gesetzgeber im Behindertengleichstellungsgesetz benennt - nutzbar macht. Dies gilt auch für die überwiegende Anzahl möglicher Evakuierungsfälle. Somit sind die Hauptverkehrsebenen einschließlich der Bahnsteige und Verbindungsstege barrierefrei zu erreichen.
Der Brandfall im Bahnsteigbereich ist insoweit ein besonderer Evakuierungsfall, weil dann die Nutzung von Aufzügen in der Regel nicht gestattet ist. Grundsätzlich wird in den Brandschutzkonzepten für Personenverkehrsanlagen der Deutschen Bahn AG – und somit auch im Stuttgarter Hauptbahnhof - sichergestellt, dass Personen im Brandfall ohne Beeinträchtigungen durch Brandauswirkungen die Verkehrsanlagen innerhalb der sogenannten Selbstrettungsphase sicher verlassen können.
In der sogenannten Fremdrettungsphase werden Personen, die verletzt oder auch mobilitätseingeschränkt sind, durch Dritte evakuiert. Dies können Mitreisende oder Mitarbeiter der Deutsche Bahn AG sein. In der Regel sind dies aber die alarmierten Sicherheits- und Rettungskräfte. In der Fremdrettungsphase - das heißt während des Feuerwehreinsatzes – wird die Bahnsteigebene noch eine ausreichende Zeit raucharm gehalten, so dass nach menschlichem Ermessen keine Gefahr besteht. Dies wird insbesondere durch die natürliche Entrauchung verbunden mit der großen Raumhöhe ermöglicht.
Im Brandfall wird berücksichtigt, dass entweder alle Verbindungsstege benutzbar sind, oder, wenn sich der Brandherd im Bereich eines Steges befindet, zwei Verbindungsstege für die Evakuierung verbleiben. Alle Menschen, die bei der Evakuierung auf Dritte angewiesen sind, können sich ungefährdet von einem Brandereignis auf der Bahnsteigebene zu einem der nicht von Rauch beeinträchtigten Stegen begeben und dort, falls erforderlich, ungefährdet die Fremdrettung (Feuerwehr) erwarten.
Als Ergebnis der gemeinsamen Gesprächsrunden mit dem DIPB, dem Stadtseniorenrat und dem Bündnis Barrierefreies Stuttgart 21 prüft die Deutsche Bahn AG für diesen Fall u.a. eine besondere Regelung für die Aufzugsnutzung, die Reisenden mit Mobilitätseinschränkungen über die gängige Fremdrettung hinaus eine Selbstrettung ermöglichen soll. Als entsprechende technische Lösung sollen im Brandfall diejenigen Aufzüge, die im sicheren Bereich liegen und bei denen keine Beeinträchtigung durch Brandrauch besteht, als barrierefreie Fluchtwege weiter betrieben werden. Dies ist auf Grund der Lage und Anzahl der Aufzüge sowie der räumlichen Situation im neuen Bahnhof grundsätzlich realisierbar.
Sie stimmen mir bestimmt zu, verehrte Frau Voß, dass damit eine weitere Forderung aus der Schlichtung auf einem guten Wege ist.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Dietrich