Sehr geehrter Herr Häfner,
Durchgangsbahnhöfe sind von der Struktur her leistungsfähiger, da sich die Züge bei der Ein- und Ausfahrt nicht gegenseitig behindern. Deshalb werden in vielen Städten wie z.B. Wien oder auch Zürich aktuell Durchgangsbahnhöfe gebaut.
Generell sind einzelne Kopfbahnhöfe nicht miteinander vergleichbar, da sich ihre Funktion und die Anforderungen im Schienennetz unterscheiden. Wenn man die Leistungsfähigkeit von Bahnhöfen vergleicht, sind verschiedene Parameter maßgeblich. Eine Bewertungsgröße ist die Anzahl der Bahnhofsgleise. Entscheidend ist dabei die Erreichbarkeit dieser Bahnhofsgleise, also wie sie angefahren werden können.
In Stuttgart gibt es im alten Sackbahnhof lediglich fünf Zugangsgleise. Beim modernen Durchgangsbahnhof hingehen stehen acht Gleise für ein- und ausfahrende Züge zur Verfügung. Die Untersuchungen von Prof. Martin (Universität Stuttgart), Prof. Heimerl (Universität Stuttgart) und Prof. Schwanhäußer (Verkehrswissenschaftliches Institut rwth Aachen) belegen die deutlich gesteigerte Leistungsfähigkeit des neuen Durchgangsbahnhofes eindeutig. Dies wurde mehrfach überprüft und zudem vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bestätigt.
Im Vergleich zum Stuttgarter Sackbahnhof hat z.B. der Frankfurter Hauptbahnhof 24 Bahnsteiggleise und verfügt über 11 Zulaufgleise für die Ein- und Ausfahrt von Zügen. Der Hauptbahnhof in München hat 32 Bahnsteiggleise und 14 Zulaufgleise, mit denen der Bahnhof angefahren werden kann. Hinzu kommt, dass in München die Gleise von München-Pasing kommend sich über viele Kilometer Länge Richtung Hauptbahnhof erstrecken und sich die Züge dort entsprechend verteilen können. In Stuttgart mit der Lage im engen Talkessel ist dies nicht möglich: die Züge müssen sich sehr schnell auf kürzester Entfernung von den fünf Zulaufgleisen auf die insgesamt 16 Bahnhofgleise verteilen.
Um konkrete Zahlen zu nennen:
Prof. Martin hat anhand wissenschaftlich anerkannter Berechnungsmodelle nachgewiesen, dass die optimale, praktisch relevante Kapazität des Durchgangsbahnhofes zwischen 42 und 51 Zügen pro Stunde bezogen auf die Spitzenstunde liegt. Der ebenfalls untersuchte optimierte Kopfbahnhof (K21) erreicht dagegen unter vergleichbaren Annahmen lediglich eine Kapazität zwischen 28 und 38 Zügen pro Stunde. Die maximale theoretische Leistungskapazität des Durchgangsbahnhofes liegt noch weit höher. Die genannten Zugzahlen betreffen jeweils einen Zug im Durchgangsbahnhof, also den einfahrenden und den ausfahrenden Zug zusammengefasst.
Maßgeblich sind neben zusätzlicher Zufahrtsgleise vor allem neueste Signaltechnik, die gleichzeitige Nutzungsmöglichkeit eines Bahnsteiges für zwei Züge, deutlich höhere Ein- und Ausfahrtsgeschwindigkeiten – in Stuttgart fahren heute die Züge mit max. 30 km/h auf die Prellböcke zu, künftig können sie in den Durchgangsbahnhof mit bis zu max. 100 Stundenkilometer einfahren - und insbesondere die optimale Betriebsführung im Durchgangsbahnhof.
Sie sehen, Herr Häfner, dass ein direkter Vergleich nicht sinnvoll ist. Andere Metropolen verfügen über weitaus mehr oder längere Zufahrtsgleise. Diese stehen in Stuttgart platzbedingt nicht zur Verfügung und nähmen im engen Stuttgarter Talkessel unnötig wertvollen Raum ein, der beim Tiefbahnhof für Parkflächen und neuen Wohn- und Büroraum zur Verfügung steht. Insofern ist der moderne Durchgangsbahnhof nicht nur für den Bahnbetrieb, sondern auch für die städtebauliche Entwicklung mitten in der Innenstadt und Bürger von Stuttgart, die beste Lösung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Kefer - Vorstand Technik, Systemverbund, Dienstleistungen und Infrastruktur der DB