Liebe direktzu®-Nutzer,

32.000 Menschen haben abgestimmt, mehr als 650 Fragen wurden beantwortet – dies ist die Bilanz der Bürgerdialogplattform „Direktzu Stuttgart 21“, die im September 2010 online ging. Seitdem wurde von unseren Fachleuten detailliert Stellung bezogen zu vielen Themen rund um das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm. Alle unsere Antworten auf Ihre wichtigsten Fragen finden Sie hier auf dieser Plattform.

Seit 2010 hat sich das Projekt grundlegend verändert. Es geht nicht mehr um das „ob“, sondern um das „wie“. Nach Jahren der Planung und des politischen Diskurses treten die Umsetzung des Bahnprojektes und damit die Bauarbeiten immer mehr in den Vordergrund, was an vielen Stellen der Stadt und entlang der Autobahn nach Ulm zu sehen ist.

Für die zunehmenden Fragen rund ums Bauen haben wir ein „Informationszentrum“ eingerichtet, über welches sich insbesondere betroffene Bürgerinnen und Bürger rund um die Uhr an sieben Tagen pro Woche über das aktuelle Baugeschehen informieren können.

Wir freuen uns weiterhin über Ihr Interesse an unserem Projekt.

Beantwortet
Autor Peter Schiersmann am 15. Oktober 2010
29195 Leser · 25 Stimmen (-1 / +24)

Regionalverkehr: Flughafen/Messe, Linienführung, Vorteile

Was passiert mit der Gäubahnstrecke?

Sehr geehrte Damen und Herren,

meine Frage bezieht sich auf die Gäubahnstrecke, die über Stuttgart-Nord und West nach Vaihingen führt. Bisher hieß es an vielen Stellen immer, dass die Strecke stillgelegt werden würde (und z.B. ein Radweg daraus gemacht). In letzter Zeit bin ich aber immer wieder auf Konzepte für mögliche Erweiterungen des S-Bahn Netzes gestoßen, wovon eines unter dem Schlagwort "Nordkreuz" existiert. Ich zitiere hieraus:

"Die Konzeption fußt auf den Planungen zu Stuttgart 21 und sieht vor, die dann nicht mehr benötigte Strecke der Gäubahn vom Nordbahnhof über Stuttgart-West bis nach Vaihingen als Bypass zu der bestehenden Stammstrecke Hauptbahnhof – Vaihingen in das S-Bahn-Netz einzubinden." (Quelle VRS http://www.s-bahn-region-stuttgart.de/)

Was ist nun genau mit der Gäubahntrasse geplant? Bliebe diese bestehen und würde im Rahmen der Nordkreuz-Planungen weiter genutzt, wäre doch ein Argument vieler Gegner widerlegt, dass im Falle einer Störung im Stammstreckentunnel Züge nicht mehr über eben diese Trasse umgeleitet werden könnten.

Mit freundlichen Grüßen,

Peter Schiersmann

+23

Über diesen Beitrag kann nicht mehr abgestimmt werden, da er bereits beantwortet wurde.

Antwort
von Dr. Volker Kefer am 16. November 2010
Dr. Volker Kefer

Sehr geehrter Herr Schiersmann,

mit Stuttgart 21 benötigt die Deutsche Bahn AG die Trasse der heutigen Gäubahnstrecke Stuttgart–Horb–Rottweil–Tuttlingen–Singen über Stuttgart-West innerhalb des Stuttgarter Stadtgebiets nicht mehr. Aus diesem Grund hat die Landeshauptstadt Stuttgart die Flächen der Trasse im Stadtgebiet gekauft. Dies ist auch im Rahmenplan von Stuttgart 21 zugrunde gelegt.

Die heutige Gäubahn wird bis zur Inbetriebnahme von Stuttgart 21 betrieblich genutzt. Danach gehen die Flächen auf Stuttgarter Gemarkung in den Besitz der Stadt über, die bereits seit 2001 Eigentümerin ist. Die Gäubahnflächen waren Teil des Gesamtpakets beim Flächenerwerb durch die Stadt, da die Flächen nach Realisierung des Projekts Stuttgart 21 von der Bahn nicht mehr benötigt werden.

Zur zweckdienlichen Nutzung vorhandener Bestandsstrecken fahren mit Stuttgart 21 die Fern- und Regionalzüge der Gäubahnstrecke Stuttgart–Horb–Rottweil–Tuttlingen–Singen zukünftig gemeinsam mit der S-Bahn die heutige S-Bahnstrecke zwischen dem Flughafen und der Rohrer Kurve. Diese Variante stellt nach Abwägung aller Alternativen die bestmögliche Lösung dar, insbesondere vor dem Hintergrund eines für andere Trassenführungen notwendigen zusätzlichen Flächenverbrauchs im Filderbereich. Zudem wären zwei parallel verlaufende Strecken in diesem Bereich in ihrer Gesamtheit nicht ausreichend ausgelastet. Auf Basis der Antragsplanung der Deutschen Bahn AG wurden Analysen der Leistungsfähigkeit des geplanten Betriebsprogramms vorgenommen. Diese sehen die neue Streckenführung der Gäubahn als ausreichend dimensioniert an.

Die neue Streckenführung erfolgt dann für die Fern- und Regionalzüge der Gäubahn vom neuen Stuttgarter Hauptbahnhof als Durchgangsbahnhof über den 9,5 Kilometer langen Fildertunnel und die Neubaustrecke, weiter über die Einschleifung auf die Neubaustrecke im neuen 1.760 Meter langen Tunnel „Flughafenkurve“ und weiter über die heutige S-Bahnstrecke von der S-Bahn-Station Flughafen/Messe bis zur neuen Rohrer Kurve, über die zwischen Oberaichen und Dürrlewang die Filderbahn mit der bestehenden Trasse der Gäubahn verbunden wird.

Der Verband Region Stuttgart als Aufgabenträger der S-Bahn Stuttgart hat wiederum im Regionalplan die Sicherung der Trasse im „betriebsfähigen Zustand“ für den Schienenverkehr verankert, um sie bei Engpässen im S-Bahnbetrieb nach Inbetriebnahme von Stuttgart 21 weiter nutzen zu können. In diesem Zusammenhang existiert auch das Konzept Nordkreuz, mit dem eine direkte Verbindung von S-Bahn und Gäubahntrasse geschaffen würde. Das Nordkreuz gehört aber nicht zum Projektumfang des Projekts Stuttgart 21. Mit Stuttgart 21 wird aber die bauliche Realisierungsmöglichkeit vorbehalten.

Die Stadt muss aufgrund der Verankerung im Regionalplan die Flächen der Gäubahntrasse frei halten. Ob sie vom Eisenbahnbetrieb entwidmet wird oder nicht, gilt es in einem Verfahren zum Rückbau der Gleise zu entscheiden. Nach den Plänen der Stadt Stuttgart sollen die Flächen auch nicht aufgeteilt werden, sondern als zusammenhängende Trasse erhalten werden. So könnte unter Umständen beispielsweise ein Geh- und Radweg realisiert werden. Die Entwidmung der Gäubahn innerhalb der Stadtgrenzen der Landeshauptstadt ist momentan politische Absicht. Gegenwärtig ist nicht davon auszugehen, dass ein künftiger Gemeinderat andere Optionen in Betracht ziehen wird.

Ausgehend vom bestehenden Linienkonzept der S-Bahn Stuttgart, den Erfahrungen des heutigen Stör- und Notfallkonzepts, den prognostizierten Mehrverkehren im Fern- und Nahverkehr und den zusätzlichen Möglichkeiten der neuen Infrastruktur kann im Störungsfall beim Projekt Stuttgart 21 künftig noch flexibler reagiert werden. Auch für den Fall, dass bei Störungen im S-Bahn-Betrieb die Tunnelröhre in der Innenstadt zwischen Hauptbahnhof und Schwabstraße nicht genutzt werden kann. Die S-Bahnen können zukünftig unter anderem über den neuen Fildertunnel vom Stuttgarter Durchgangsbahnhof zum Flughafen fahren, über den neuen innerstädtischen Schienenring bestehen weitere Umleitungsmöglichkeiten. Damit können im neuen leistungsfähigen Durchgangsbahnhof auch beim Notfallkonzept mehr Züge fahren als im bestehenden Kopfbahnhof, das heißt, die Auswirkungen werden geringer sein als heute.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Volker Kefer - Vorstand Technik, Systemverbund, Dienstleistungen und Infrastruktur der DB