Sehr geehrter Herr Schmid,
ein Bahnsystem macht in Summe nur dann Sinn, wenn für den schnellen Fernverkehr an seinen Haltebahnhöfen Anschlüsse von Zubringerzügen sowie an Abbringerzüge bestehen. Das macht die Schiene gegenüber konkurrierenden Verkehrsträgern stark. Sie können versichert sein, dass sowohl die Bahn als verantwortliches Infrastrukturunternehmen als auch die Eisenbahnverkehrsunternehmen bei der Fahrplangestaltung darauf großen Wert legen.
Auch wir schätzen den Erfolg und den Zuspruch der Bahn, den sie in der Schweiz genießt. Wir sollten aber nicht den Fehler machen, unser Bahnsystem mit dem unseres Nachbarlandes gleichzusetzen. Das wollen wir mit nachstehendem Vergleich der Zahlen aus 2009 verdeutlichen:
Einwohner: rd. 82 Millionen (Deutschland); rd. 8 Millionen (Schweiz)
Betriebslänge des Schienennetzes: rd. 34.000 km (Deutschland); rd. 3.000 km (Schweiz)
Bahnreisende pro Jahr: 1.908 Millionen (Deutschland); 328 Millionen (Schweiz)
Züge am Tag: rd. 31.600 (Deutschland); rd. 9000 (Schweiz)
Sie erkennen selbst, über welche unterschiedlichen Dimensionen wir reden. Thomas Neff, Geschäftsführer der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) GmbH in Deutschland, sagte am 12. November 2010 in einem Interview den Stuttgarter Nachrichten, dass man die Verhältnisse in der Schweiz grundsätzlich nicht mit den deutschen vergleichen könne. In der Schweiz gebe es andere räumliche Verhältnisse. Die drei sogenannten Vollknoten, Zürich, Bern und Basel lägen jeweils eine Stunde auseinander - ideal für ein Taktsystem mit optimalen Anschlussmöglichkeiten zwischen Fern- und Nahverkehr. Das ließe sich wohl nicht 1:1 auf Deutschland übertragen. Durch die Engräumigkeit der Schweiz wäre dies machbar. Und weiter führte er aus, dass es schwieriger würde, sobald die Distanzen größer werden. Je größer die Entfernungen seien, desto mehr Unwägbarkeiten und Verspätungsrisiken gebe es und umso schwieriger sei die Fahrplangestaltung. Herr Neff sagte: „In der Schweiz haben wir die idealen Distanzen für ein Taktsystem. … Die Schweiz ist wie eine große S-Bahn mit dem dichtesten Fahrplan in Europa.“
Aufgrund den höheren Einwohnerzahlen und Bahnnutzerzahlen benötigen wir in Deutschland eine Infrastruktur, die in absoluten Zahlen mehr Steigerungen aufnehmen kann. Dafür bauen wir Stuttgart 21 und die NBS Wendlingen-Ulm.
Mit dem Bahnprojekt Stuttgart-Ulm sieht das Land Baden-Württemberg als Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs folgende Angebotskonzeption 2020 vor. Dabei ist auch die Nutzung der Neubaustrecke zwischen Stuttgart und Ulm mit der Regionallinie Würzburg-Friedrichshafen vorgesehen:
Linien
· Schwäbisch Hall-Hessental-Stuttgart-Flughafen-Singen (2-Stunden-Takt)
· Schw. Hall-Hessental-Stuttgart-Flugh.-Rottweil/Freudenstadt (2-Stunden-Takt) Stuttgart-Schw. Hall Hessental-Crailsheim-Nürnberg (2-Stunden-Takt)
· Osterburken-Heilbronn-Stuttgart-Plochingen-Tübingen (Stundentakt)
· Mannheim-Heilbronn-Stuttgart-Plochingen-Tübingen (Stundentakt)
· Aalen-Stuttgart-Flughafen-Tübingen (Stundentakt)
· Würzburg-Stuttgart-Flughafen-NBS-Ulm(stündlich)-Friedrichshafen (zweistdl.) Karlsruhe-Pforzheim-Stuttgart-Plochingen-Ulm-Friedrichshafen-Lindau (stdl.) Karlsruhe/Heidelberg-Mühlacker-Bietigheim-Stuttgart-Flugh.-Tübingen (stdl.) Aalen-Stuttgart-Plochingen-Ulm (Stundentakt)
· Stuttgart-Plochingen-Geislingen-Ulm (Stundentakt)
Die Angebotskonzeption 2020 baut auf die verkehrlichen Prämissen, dass Fern- und Regionalverkehr weitestgehend integral vernetzt sind. Der Integrale Taktfahrplan (ITF) für Baden-Württemberg wird weiterentwickelt. Nachfrageorientiert entstehen auch im Regionalverkehr vermehrt halbstündliche Angebote. Mit dem neuen Durchgangsbahnhof in Stuttgart werden neue attraktive Direktverbindungen geschaffen. Entlang der wichtigsten Verkehrsachsen des Landes kann ein schnelles, komfortables und landesweit aufgespanntes Netz von Interregioexpress- und Regionalexpresslinien aufgebaut werden. Die Oberzentren und Verdichtungsräume des Landes werden damit direkt und umsteigefrei verbunden.
Im Fernverkehr, der die Basis des bundesweiten Fahrplangefüges darstellt, wird es im Tiefbahnhof Stuttgart nach heutiger Planung einen 30-Minuten-Takt geben, der die Umsteigebeziehungen zwischen Fern- und Regionalverkehr wesentlich verbessern wird. Neben dem dichteren Zugangebot fördert die Konzeption des neuen Durchgangsbahnhofs die Umsteigemöglichkeiten und durch den neuen Flughafenbahnhof werden weitere Anschluss- und Umsteigebeziehungen geschaffen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Kefer - Vorstand Technik, Systemverbund, Dienstleistungen und Infrastruktur der DB