Liebe direktzu®-Nutzer,

32.000 Menschen haben abgestimmt, mehr als 650 Fragen wurden beantwortet – dies ist die Bilanz der Bürgerdialogplattform „Direktzu Stuttgart 21“, die im September 2010 online ging. Seitdem wurde von unseren Fachleuten detailliert Stellung bezogen zu vielen Themen rund um das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm. Alle unsere Antworten auf Ihre wichtigsten Fragen finden Sie hier auf dieser Plattform.

Seit 2010 hat sich das Projekt grundlegend verändert. Es geht nicht mehr um das „ob“, sondern um das „wie“. Nach Jahren der Planung und des politischen Diskurses treten die Umsetzung des Bahnprojektes und damit die Bauarbeiten immer mehr in den Vordergrund, was an vielen Stellen der Stadt und entlang der Autobahn nach Ulm zu sehen ist.

Für die zunehmenden Fragen rund ums Bauen haben wir ein „Informationszentrum“ eingerichtet, über welches sich insbesondere betroffene Bürgerinnen und Bürger rund um die Uhr an sieben Tagen pro Woche über das aktuelle Baugeschehen informieren können.

Wir freuen uns weiterhin über Ihr Interesse an unserem Projekt.

Beantwortet
Autor Thomas Lehmann am 29. Dezember 2010
23781 Leser · 21 Stimmen (-7 / +14)

Sicherheit: Mineralquellen, Häuser, Tunnel, Gipskeuper

Stromausfall u. Rettungszüge?

Sehr geehrte Damen und Herren
Für mich erschließt sich nicht wie bei einem totalen Stromausfall Fahrgäste aus den etlichen Tunnel, von erblicher Länge und Anzahl, geleitet werden. Wie sieht es im Brand- oder Gefahrenfall mit Tunnelrettungszügen aus. Wieviel sollte es für die etlichen Tunneln in und um Stuttgart geben und wo sollten sie stationiert werden , um effektiv zu sein?
Wieviel Platz bleibt Personen neben einem Zug bis zur Tunnelwand und soll dort eine Laufbahn installiert werden?
Wie sollen Fahrgäste bei einem Stromausfall ( kann ja auch Software bedingt sein) z.B am Flughafen wenn sie nicht so gut zu Fuß sind vom und zum Bahnhof gelangen, dies ist wohl kaum möglich?
mfg t.lehmann

+7

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Antwort
von Dr. Volker Kefer am 04. März 2011
Dr. Volker Kefer

Sehr geehrter Herr Lehmann,

zu den von Ihnen angesprochenen Sicherheitsfragen in Tunnels bestehen sehr detaillierte Vorschriften. In der Richtlinie des Eisenbahn-Bundesamtes, die zuletzt mit dem Inkrafttreten europäischer Richtlinien zum 01.07.2008 aktualisiert wurde, werden die Anforderungen des „Brand- und Katastrophenschutzes an den Bau und den Betrieb von Eisenbahntunneln“ definiert. Die Deutsche Bahn stellt sicher, dass alle Sicherheitsstandards beachtet und eingehalten werden.

Bei allen beim Bahnprojekt Stuttgart-Ulm vorgesehen Tunnel sind jeweils Tunnel mit zwei getrennten und parallel verlaufenden Einzelröhren geplant. Ein vierstufiges Sicherheitskonzept gewährleistet einen größtmöglichen Sicherheitsstandard . Wesentliche Elemente dieses Sicherheitskonzeptes sind:

1) Vorbeugende Maßnahmen zur Reduzierung der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Unfalls, z. B. durch den Bau von getrennten Röhren

2) Ereignismindernde Maßnahmen sorgen dafür, dass ein Zug mit einem Brand möglichst nicht im Tunnel zum Stehen kommt. Hierzu gehört z. B. ein technisches System, das es dem Lokführer ermöglicht, eine durch Reisende bedienteNotbremse so lange zu überbrücken bis der Zug aus dem Tunnel heraus gefahren ist.

3) Maßnahmen der Selbstrettung: Durch bauliche und technische Einrichtungen wird den betroffenen Personen das Verlassen des Tunnels ermöglicht. Hierzu gehören z. B. Fluchtwege, Fluchtwegkennzeichnung und Sicherheitsbeleuchtung, aber auch die benachbarte Tunnelröhre, die im Ereignisfall als sicherer Bereich dient und über Querschläge mit integrierter Schleuse im Abstand von maximal 500 m erreicht werden kann.

4) Maßnahmen der Fremdrettung: Die benachbarte Röhre dient auch als Zugangsweg für die Feuerwehr und die Rettungsdienste. Das Gleis wird so hergerichtet, dass es mit Straßenfahrzeugen befahrbar ist. Weitere Maßnahmen der Fremdrettung sind u. a. Löschwasserversorgung, elektrische Energie, Transporthilfen und Funktion des Feuerwehrfunks.

Anders als auf der Schnellfahrstrecke von Mannheim nach Stuttgart, auf der Rettungszüge eingesetzt werden, sieht das Sicherheitskonzept in neuen Tunneln die Möglichkeit vor, dass die Fremdrettungskräfte direkt in die nicht betroffene Röhre mit ihren Fahrzeugen einfahren können. Diese nicht betroffene Röhre ist ein definierter sicherer Bereich. Weitere Aufgaben der Rettungszüge sind die Bereitstellung von Löschwasser, elektrischer Energie, Beleuchtungs- und Kommunikationseinrichtungen sowie Rettungsgerät. Alle diese Komponenten sind in den neuen Tunneln bauseitig vorhanden bzw. werden mit den Fahrzeugen der Feuerwehr direkt vor Ort gebracht. Von daher sind Rettungszüge in neuen Tunneln generell nicht mehr erforderlich.

Die Zufahrt für die Rettungskräfte erfolgt bei Stuttgart 21 und der Neubaustrecke nach Ulm über speziell eingerichtete Rettungsflächen an den Tunnelportalen. Von dort aus fahren z.B. Feuerwehrfahrzeuge, Notarzt etc. in diese zweite Röhre ein. Die Tunnel können auch mit normalen Straßenfahrzeugen befahren werden, die Fahrgäste können direkt vor Ort im Tunnel z.B. in einen Bus einsteigen und auf diesem Weg dann schnell und sicher den Einsatzort verlassen. Die Tunnelquerschnitte ermöglichen es, dass Fahrzeuge im Tunnel aneinander vorbeifahren, oder sich überholen können.

Die Konstruktion der eingleisigen Tunnel ist an dieses Sicherheitskonzept angepasst. Zu den alle 500 Meter angebrachten Verbindungsschleusen führt ein seitlich angebrachter entsprechend gekennzeichneter Weg, der als Sicherheitsraum freigehalten wird. Der Abstand zwischen dem Fahrzeug und der Tunnelwand beträgt mindestens 1,20 Meter. Somit ist sichergestellt, dass Fahrgäste auf kurzem Weg den nächsten „Querschlag“ mit Schleuse problemlos erreichen können. Die Einrichtungen der Beleuchtung, der Stromversorgung und der Kommunikation sind so ausgelegt, dass diese als System bei einem Brandfall für mindestens 90 Minuten funktionsfähig bleiben, d. h. auch wenn einzelne Komponenten durch einen Unfall beschädigt werden, bleiben die übrigen Komponenten dieses Systems funktionsfähig. Die Beleuchtung ist zudem batteriegepuffert, d. h. auch bei einem Stromausfall bleibt sie für mindestens drei Stunden funktionsfähig.

In den Stationen sorgen stationäre Ersatzgeneratoren - bei dem allerdings unwahrscheinlichen Fall - eines vollständigen Stromausfalls dafür, dass wichtige Einrichtungen weiter funktionieren. Dazu gehören neben den Kommunikationssystemen z.B. auch so genannte Feuerwehraufzüge, die im Bedarfsfall dann über diese Ersatzsysteme versorgt werden. Diese können dann auch von den Fahrgästen genutzt werden. Es stehen in den Bahnhöfen z.B. am neuen Stuttgarter Hauptbahnhof oder am Flughafen kurze alternative Fluchtwege zur Verfügung.

Insgesamt bietet die bauliche Gestaltung der Anlagen in Verbindung mit einem bewährten Notfallmanagement der Deutschen Bahn einen hohen Sicherheitsstandard und gewährleisten die Sicherheit im Betrieb und bei Problemfällen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Volker Kefer - Vorstand Technik, Systemverbund, Dienstleistungen und Infrastruktur der DB