Sehr geehrter Herr Bächtle,
ich nehme an, Ihre Frage bezieht sich auf den - im Übrigen seit langer Zeit bekannten - südlichen Wasserzustrom aus Richtung Esslingen und auf die neusten Erkenntnisse aus dem fünften Bohrerkundungsprogramm und die damit verbundene Mehrentnahme des Grundwassers. Gerne erläutere ich die Hintergründe zu beiden Themen, die jedoch nicht miteinander in Verbindung stehen.
Seit 1989 hat die Stadt Stuttgart in Zusammenarbeit mit namhaften Forschungseinrichtungen und Universitätsinstituten umfangreiche geowissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt und eine Vielzahl neuer Erkenntnisse zum Mineralwassersystem gewonnen. Die neuen Erkenntnisse führten letztendlich zu einer vom Arbeitskreis „Heilquellenschutzgebiet Stuttgart“ erarbeiteten rechtskräftigen Verordnung und Schutzgebietszonierung. Die Verordnung hat das Regierungspräsidium Stuttgart im Einvernehmen mit dem Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg (LGRB) erlassen.
Bei der Festsetzung des Heilquellenschutzgebiets hat das Regierungspräsidium Stuttgart im Konsens mit den beteiligten Behörden wegen der mehr als 100 bis über 300 Meter mächtigen Überdeckung des Mineralwasser führenden Oberen Muschelkalks auf eine Einbeziehung des südlichen Zustroms zu den Heilquellen von Stuttgart verzichtet, da aufgrund der hohen Überdeckung des Muschelkalks ausreichender natürlicher Schutz besteht.
In der Phase der Heilquellenschutzgebietsausweisung und später im Planfeststellungsverfahren für das Projekt Stuttgart 21 war der südliche Zustrom grundsätzlich bekannt und durch mehrere Bohrungen nachgewiesen. Hinsichtlich des südlichen Zustroms hat der Landesgutachter Wasserwirtschaft jedoch belegt, dass unterschiedliche Einschätzungen zu den Mengen des südlichen Zustroms ohne signifikante Auswirkungen auf die wasserwirtschaftliche Beurteilung des Bahnprojekts bleiben.
Das Eisenbahn-Bundesamt hat das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg als Träger öffentlicher Belange in allen Planfeststellungsverfahren für Stuttgart 21 beteiligt. In der Stellungnahme zum Planfeststellungsabschnitt 1.6, in dem der Neckar durch die Trasse unterfahren wird, teilt das LGRB die Auffassung der Vorhabensträgerin, also der DB AG, dass Auswirkungen des Vorhabens mit erheblicher Reichweite sowie quantitative und qualitative Einflüsse auf die Stuttgarter Mineral- und Heilquellen wegen der hohen Überdeckung des Muschelkalks nicht zu erwarten seien.
Sie erwähnen in Ihrer Anfrage ebenfalls die erhöhten Grundwasserentnahmen. Gerne erläutere ich Ihnen, dass die aktuellen Ergebnisse des fünften Bohr- und Erkundungsprogramms vorliegen. In dem Zusammenhang wurden für den Planfeststellungsabschnitt 1.1. erhöhte Werte prognostiziert, die nun Eingang in das wasserrechtliche Genehmigungsverfahren finden. Der Bauablauf wird sich an die Ergebnisse des Verfahrens gegebenenfalls anpassen.
Der Schutz der Stuttgarter Grund- und Mineralwasservorkommen steht dabei weiterhin mit an oberster Stelle. Der Planfeststellungsbeschluss enthält auf über 100 Seiten sehr detaillierte Regelungen und Auflagen zum Schutz des Mineral- und Grundwassers. Der Untergrund wurde über Jahre sehr genau untersucht. Zudem sind die Erkenntnisse aus anderen Bauvorhaben im Stuttgarter Talkessel in diese Bewertungen eingeflossen. Mit dem Grundwassermanagement setzt die Bahn diese gewonnenen Erkenntnisse und die entsprechenden Auflagen vollständig um. Das Managementsystem erkennt Veränderungen, Schwankungen im Grundwasserspiegel frühzeitig und reagiert darauf mit dem Ziel diesen im natürlichen Schwankungsbereich zu belassen.
Es ist ein völlig üblicher Vorgang, dass die Erkenntnisse aus weiter vertiefenden Untersuchungen fachlich bewertet und fortgeschrieben werden. Daraus können dann weitere Maßnahmen für den optimalen Schutz der Grund- und Mineralwasservorkommen entwickelt werden. Die Deutsche Bahn steht dazu im konstruktiven Dialog mit den entsprechenden Fachbehörden.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Dietrich - Sprecher des Bahnprojekts Stuttgart – Ulm