Sehr geehrter Herr Wuerich,
bei Ihren Überlegungen zur richtigen, zukunftsorientierten Dimensionierung bei der Planung und beim Bau von Verkehrsinfrastruktur sprechen Sie ein für alle Bauprojekte grundsätzlich abzuwägendes Nutzen-Kosten-Spannungsfeld an. Einerseits soll sich die neue Infrastruktur am tatsächlichen Bedarf orientieren, zugleich aber Reserven für zukünftige Nutzungen haben. Dazu werden in längerfristigen Verkehrsprognosen entsprechende Daten ermittelt, die einen voraussichtlichen künftig erwarteten Bedarf abbilden. Anderseits müssen Steuergelder effizient verwendet werden und können nicht für überdimensionierte Baumaßnahmen eingesetzt werden, für die sich in absehbarer Zeit die entsprechende Nachfrage nicht darstellt.
Bei Stuttgart 21 wurde in langen Jahren der Planung eine Lösung gefunden, die sich an dem prognostizierten künftigen Anstieg der Verkehrsleistungen orientiert. Dabei standen die Überlegungen zur verbesserten Leistungsfähigkeit bereits von Anfang an im Mittelpunkt der Planungen.
Bereits 1994 im Rahmen der Machbarkeitsstudie wurde geprüft, welche Infrastruktur im Bahnknoten Stuttgart die insgesamt beste Lösung darstellt.
Auch in den nachfolgenden Planfeststellungen wurde intensiv über die richtige Dimensionierung des Bahnhofes, des gesamten Stuttgarter Bahnknotens und der weiterführenden Strecken diskutiert. Mit dem jetzt durchgeführten Stresstest ist der Nachweis der Leistungsfähigkeit erbracht.
Darüber hinaus hat der bestandene Stresstest den detaillierten Nachweis erbracht, dass im neuen Stuttgarter Hauptbahnhof auch wesentlich größere Zugzahlen als heute gefahren und zudem Verspätungen abgebaut werden können.
Ein wichtiges Ziel zukunftsorientier Verkehrspolitik ist es, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen. Während heute im Stuttgarter Kopfbahnhof zwischen 7 und 8 Uhr morgens planmäßig beispielsweise 35 Züge ankommen und 18 abfahren, wurden im Zuge des Stresstests bei Stuttgart 21 im neuen Durchgangsbahnhof 49 Ankünfte und 32 Abfahrten nachgewiesen. Damit sind künftig für die Fahrgäste der Bahn in Stuttgart weit mehr attraktive Zugangebote möglich, ohne dass die neuen Anlagen an ihre Grenzen stoßen.
Dabei sieht Stuttgart 21 schon heute einige der Optionen der Zukunft vor. Sollten zukünftig über die realisierbaren Steigerungen hinaus wesentlich mehr Züge fahren, ist Stuttgart 21 dafür bestens aufgestellt. Für den Bau eines 3. und 4. Gleises zwischen dem Hauptbahnhof und Zuffenhausen werden im Zuge der Tunnelbaumaßnahmen die Anbindungen bereits baulich vorbereitet.
Auch ein Bau einer S-Bahn Querverbindung zwischen Feuerbach und Bad Cannstatt kann aufbauend auf die Infrastruktur von Stuttgart 21 zusätzlich gebaut werden.
Für die Leistungsfähigkeit der Bahnanlagen sind aber nicht nur allein die baulichen Voraussetzungen entscheidend. Mit modernen leistungsstarken Fahrzeugen und/oder einer leistungsfähigen Leit- und Sicherungstechnik wird es in Zukunft möglich, die Kapazität einer bestehende Infrastruktur zu steigern.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Kefer - Vorstand Technik, Systemverbund, Dienstleistungen und Infrastruktur der DB