Liebe direktzu®-Nutzer,

32.000 Menschen haben abgestimmt, mehr als 650 Fragen wurden beantwortet – dies ist die Bilanz der Bürgerdialogplattform „Direktzu Stuttgart 21“, die im September 2010 online ging. Seitdem wurde von unseren Fachleuten detailliert Stellung bezogen zu vielen Themen rund um das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm. Alle unsere Antworten auf Ihre wichtigsten Fragen finden Sie hier auf dieser Plattform.

Seit 2010 hat sich das Projekt grundlegend verändert. Es geht nicht mehr um das „ob“, sondern um das „wie“. Nach Jahren der Planung und des politischen Diskurses treten die Umsetzung des Bahnprojektes und damit die Bauarbeiten immer mehr in den Vordergrund, was an vielen Stellen der Stadt und entlang der Autobahn nach Ulm zu sehen ist.

Für die zunehmenden Fragen rund ums Bauen haben wir ein „Informationszentrum“ eingerichtet, über welches sich insbesondere betroffene Bürgerinnen und Bürger rund um die Uhr an sieben Tagen pro Woche über das aktuelle Baugeschehen informieren können.

Wir freuen uns weiterhin über Ihr Interesse an unserem Projekt.

Beantwortet
Autor Elisabeth Müller am 25. Juli 2011
20491 Leser · 33 Stimmen (-9 / +24)

Durchgangsbahnhof: Kapazität, Architektur, Barrierefreiheit

Fahrgäste beim "Stresstest" berücksichtigt?

Sehr geehrte Damen und Herren,

anscheinend ist es der Bahn gelungen, innerhalb einer Stunde 49 virtuelle Züge durch einen virtuellen Bahnhof zu schleusen.
Zu meinem Erstaunen hat mein Suchprogramm im "Audit" zum "Stresstest" nur drei-, viermal den Begriff "Fahrgast" gefunden.

Bevor ich mir die Mühe mache und die 200 Seiten tatsächlich durchlese, meine Frage an Sie:
Waren diese virtuellen Züge leer?
Oder waren sie mit virtuellen Fahrgästen besetzt? Wurde das Aus- Um- und Einsteigen dieser Fahrgäste in die Simulation einbezogen?

Falls nein: Wann wird diese Simulation durchgeführt? (Da fahrende Züge kein Selbstzweck sind, sondern Menschen von A nach B bringen sollen, wäre ein "Stresstest" ohne Fahrgäste ja eine ziemlich sinnlose Spielerei.)

Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Müller

+15

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Antwort
von Dr. Volker Kefer am 24. August 2011
Dr. Volker Kefer

Sehr geehrte Frau Müller,

vielfach wird die Kritik erhoben, dass die im Stresstest unterstellten Haltezeiten unrealistisch kurz sind und nicht mehr alle Anschlüsse erreicht werden. Dies erweist sich bei näherer Betrachtung als nicht haltbar.

Für den Stresstest wurden 760 Züge mit 9.900 Halten exakt definiert. Dabei wurden Mindestwerte für Haltezeiten zu Grunde gelegt, die auf Fahrgastzählungen und weiteren praktischen Erfahrungen vergleichbarer großer Durchgangsbahnhöfe beruhen. Im Steckbrief FP-03 des Abschlussberichts nimmt der Auditor ausführlich zu den konkret angenommenen Haltezeiten ebenso Stellung wie zu deren Hintergründen und deren Plausibilität. Während vielfach konservative Annahmen getroffen und eher längere Haltezeiten zu Grunde gelegt wurden, weist der Auditor auf einzelne Haltezeitunterschreitungen hin. Für Stuttgart Hauptbahnhof wurden diese noch vor der Ergebnispräsentation behoben (siehe Steckbrief SI-08). Die wenigen im Umland verbliebenen Haltezeitunterschreitungen werden im Zuge der in der Schlichtung vereinbarten Überarbeitung noch korrigiert. Der Auditor hat in seinem Abschlussbericht betont, dass diese und weitere Korrekturen im Detail keinen wesentlichen Einfluss auf das Gesamtergebnis erwarten lassen (Steckbrief SI-08, S. 14).

Vielfach wird kritisiert, dass die durchschnittliche im Stresstest für Stuttgart Hauptbahnhof angenommene Haltezeit von rund fünf Minuten, zu kurz sei. Dabei wird vergessen, dass planmäßige Haltezeiten von etwa zwei bis drei Minuten an vielen großen Durchgangsbahnhöfen in Deutschland Normalität sind. Sind aus anderen Gründen keine längeren Halte erforderlich, reicht diese Zeit in aller Regel für den geordneten Ein- und Ausstieg der Reisenden aus. Auch für Reisende mit Kindern, mit schwerem Gepäck oder Fahrrädern ist genügend Zeit vorhaben. Dauert es bei einem kleinen Teil der Halte länger, werden diese Haltezeitüberschreitungen durch Fahrzeitreserven auf der anschließenden Strecke aufgefangen.

In Kopfbahnhöfen sind dabei Haltezeiten von wenigstens vier Minuten erforderlich, die nicht der großen Nachfrage, sondern den technischen Abläufen des Fahrtrichtungswechsels geschuldet sind. So müssen bei dem unumgänglichen Wechsel der Fahrtrichtung unter anderem die Bremsen geprüft und wichtige Zugdaten eingestellt und ein Gespräch zwischen ankommenden und abfahrenden Triebfahrzeugführer geführt werden. Diese Vorgänge sind in weniger als vier Minuten kaum zu erledigen. Diese vier Minuten sind auch nur möglich, wenn ein zweiter Triebfahrzeugführer am Ende des einfahrenden Zuges bereitsteht und unmittelbar nach Ankunft mit den Vorbereitungen zur Abfahrt in entgegengesetzter Richtung beginnen kann. Muss ein Triebfahrzeugführer noch von einem Ende des Zuges zum anderen laufen, vergehen schnell sechs und mehr Minuten.

Aufgrund dieser vierminütigen Mindesthaltezeit lässt sich im Stuttgarter Hauptbahnhof heute vielfach beobachten, wie Fernzüge mit offenen Türen am Bahnsteig stehen, obwohl der Ein- und Ausstieg längst beendet ist und das Ausfahrsignal am Bahnsteigende grün leuchtet, die Abfahrt also möglich wäre. Kommt ein Fernzug heute verspätet in Stuttgart an, gelingt es so nicht, Verspätung abzubauen, da der fahrplanmäßige Aufenthalt von zumeist vier Minuten technisch nicht unterschritten werden kann.

Fazit: Im Stresstest für den neuen Durchgangsbahnhof wurden indes – trotz der geringeren Mindesthaltezeiten – im Durchschnitt rund fünf Minuten fahrplanmäßige Haltezeit angenommen. Da Ein- und Ausstieg zumeist in wesentlich kürzerer Zeit abgeschlossen sind, bleibt den Fahrgästen genügend Zeit und zugleich gelingt es verspätet ankommenden Zügen zukünftig, im neuen Hauptbahnhof Verspätung aufzuholen.

Ich hoffe, Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben und verbleibe

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Volker Kefer - Vorstand Technik, Systemverbund, Dienstleistungen und Infrastruktur der DB