Sehr geehrte Frau Müller,
vielfach wird die Kritik erhoben, dass die im Stresstest unterstellten Haltezeiten unrealistisch kurz sind und nicht mehr alle Anschlüsse erreicht werden. Dies erweist sich bei näherer Betrachtung als nicht haltbar.
Für den Stresstest wurden 760 Züge mit 9.900 Halten exakt definiert. Dabei wurden Mindestwerte für Haltezeiten zu Grunde gelegt, die auf Fahrgastzählungen und weiteren praktischen Erfahrungen vergleichbarer großer Durchgangsbahnhöfe beruhen. Im Steckbrief FP-03 des Abschlussberichts nimmt der Auditor ausführlich zu den konkret angenommenen Haltezeiten ebenso Stellung wie zu deren Hintergründen und deren Plausibilität. Während vielfach konservative Annahmen getroffen und eher längere Haltezeiten zu Grunde gelegt wurden, weist der Auditor auf einzelne Haltezeitunterschreitungen hin. Für Stuttgart Hauptbahnhof wurden diese noch vor der Ergebnispräsentation behoben (siehe Steckbrief SI-08). Die wenigen im Umland verbliebenen Haltezeitunterschreitungen werden im Zuge der in der Schlichtung vereinbarten Überarbeitung noch korrigiert. Der Auditor hat in seinem Abschlussbericht betont, dass diese und weitere Korrekturen im Detail keinen wesentlichen Einfluss auf das Gesamtergebnis erwarten lassen (Steckbrief SI-08, S. 14).
Vielfach wird kritisiert, dass die durchschnittliche im Stresstest für Stuttgart Hauptbahnhof angenommene Haltezeit von rund fünf Minuten, zu kurz sei. Dabei wird vergessen, dass planmäßige Haltezeiten von etwa zwei bis drei Minuten an vielen großen Durchgangsbahnhöfen in Deutschland Normalität sind. Sind aus anderen Gründen keine längeren Halte erforderlich, reicht diese Zeit in aller Regel für den geordneten Ein- und Ausstieg der Reisenden aus. Auch für Reisende mit Kindern, mit schwerem Gepäck oder Fahrrädern ist genügend Zeit vorhaben. Dauert es bei einem kleinen Teil der Halte länger, werden diese Haltezeitüberschreitungen durch Fahrzeitreserven auf der anschließenden Strecke aufgefangen.
In Kopfbahnhöfen sind dabei Haltezeiten von wenigstens vier Minuten erforderlich, die nicht der großen Nachfrage, sondern den technischen Abläufen des Fahrtrichtungswechsels geschuldet sind. So müssen bei dem unumgänglichen Wechsel der Fahrtrichtung unter anderem die Bremsen geprüft und wichtige Zugdaten eingestellt und ein Gespräch zwischen ankommenden und abfahrenden Triebfahrzeugführer geführt werden. Diese Vorgänge sind in weniger als vier Minuten kaum zu erledigen. Diese vier Minuten sind auch nur möglich, wenn ein zweiter Triebfahrzeugführer am Ende des einfahrenden Zuges bereitsteht und unmittelbar nach Ankunft mit den Vorbereitungen zur Abfahrt in entgegengesetzter Richtung beginnen kann. Muss ein Triebfahrzeugführer noch von einem Ende des Zuges zum anderen laufen, vergehen schnell sechs und mehr Minuten.
Aufgrund dieser vierminütigen Mindesthaltezeit lässt sich im Stuttgarter Hauptbahnhof heute vielfach beobachten, wie Fernzüge mit offenen Türen am Bahnsteig stehen, obwohl der Ein- und Ausstieg längst beendet ist und das Ausfahrsignal am Bahnsteigende grün leuchtet, die Abfahrt also möglich wäre. Kommt ein Fernzug heute verspätet in Stuttgart an, gelingt es so nicht, Verspätung abzubauen, da der fahrplanmäßige Aufenthalt von zumeist vier Minuten technisch nicht unterschritten werden kann.
Fazit: Im Stresstest für den neuen Durchgangsbahnhof wurden indes – trotz der geringeren Mindesthaltezeiten – im Durchschnitt rund fünf Minuten fahrplanmäßige Haltezeit angenommen. Da Ein- und Ausstieg zumeist in wesentlich kürzerer Zeit abgeschlossen sind, bleibt den Fahrgästen genügend Zeit und zugleich gelingt es verspätet ankommenden Zügen zukünftig, im neuen Hauptbahnhof Verspätung aufzuholen.
Ich hoffe, Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Kefer - Vorstand Technik, Systemverbund, Dienstleistungen und Infrastruktur der DB