Sehr geehrter Herr Lauer,
nachdem sich in der Volksabstimmung die Mehrheit der Baden-Württemberger gegen den Ausstieg aus dem Projekt Stuttgart 21 ausgesprochen hat, steht die Realisierung des neuen Stuttgarter Bahnknotens im Vordergrund. Jetzt ist also klar, dass das Bahnprojekt gebaut werden soll und sich alle Beteiligten, von den Projektpartner bis hin zu den Bürgern, für eine gelungene Umsetzung einsetzen sollten.
Die Stadt Stuttgart hat das Bürgerforum Stuttgart 21 (http://www.buergerforum-s21.de/) ins Leben gerufen, um u.a. den Umgang mit den Bäumen im Mittleren Schlossgarten mit Experten zu erörtern. Diese Erörterung fand am 19. Dezember 2011 mit Sachverständigen beider Seiten statt. Dabei wurden die Möglichkeiten und Grenzen der Baumversetzung aufgezeigt. Die Entscheidung, nicht alle Bäume im Mittleren Schlossgarten zu versetzen, war ein Ergebnis dieses Expertendialogs und wurde als Empfehlung an alle Projektpartner ausgesprochen. Die teilweise Versetzung und Fällung der Bäume war also eine gemeinsame Entscheidung der Projektpartner und nicht alleine der Deutschen Bahn.
Lassen Sie mich noch ein paar Worte zur technischen Umsetzbarkeit der Vorgaben des Schlicherspruchs verlieren. Die großen Bäume im Schlossgarten könnten grundsätzlich mit Plattformen verschoben werden. Aufgrund ihrer Größe und ihres Gewichts wäre dies jedoch allenfalls für wenige Meter innerhalb des Schlossgartens möglich - bei Kosten von rund 400.000 Euro je Baum. Zudem konnten vom Eigentümer des Mittleren Schlossgartens nicht genügend geeignete Standorte benannt werden. Darüber hinaus verdeutlichte der Leiter des Fachbereichs Parkpflege der Wilhelma, dass eine Verpflanzung insbesondere aufgrund zahlreicher durch den Park verlaufender Versorgungsleitungen, sowie Denkmalschutzaspekten praktisch kaum möglich sei. Hinzu kämen imense weitere Eingriffe an den Parkbäumen entlang des theoretischen Versetzungsweges und eine enorme Bodenverdichtung, da bei der Versetzung bis zu 900 to Gewicht erreicht würden. Im Angesicht dieses enormen und praktisch kaum zu handhabenden Aufwandes haben sich alle Projektpartner der Empfehlung aus dem Expertenforum angeschlossen und 68 kleine und mittlere Bäume versetzt. Die Auswahl und Kennzeichnung der Bäume erfolgte im Anschluss daran durch einen Gutachter und Landschaftsarchitekten. Die Versetzung ist inzwischen erfolgt. Ein Großteil der gefällten Bäume wird unter der Beteiligung der Bürger weiterverwendet. Entweder zu künstlerischen oder ökologischen Zwecken. Hier kann ich Sie auf die geplante Auftaktveranstaltung im Mai verweisen.
Der Schlichterspruch war das Ergebnis der Schlichtung aus Sicht von Dr. Heiner Geißler. Bereits in Punkt 2 des Schlichterspruchs (http://www.das-neue-herz-europas.de/de-DE/download/201011...) wird klargestellt, dass dieses Dokument keine rechtlich bindende Wirkung entfaltet. Zudem führt er aus, dass die Bäume in eine geeignete Zone versetzt werden sollen. Diese geeigneten Zonen standen aber wie oben erwähnt nicht zur Verfügung. Auch der Landtag von Baden-Württemberg beschloss am 15. Dezember 2010, die Umsetzbarkeit der Vorschläge aus der Schlichtung auf ihre Umsetzbarkeit zu prüfen. Nicht zuletzt stellte auch das Verwaltungsgericht Stuttgart in seinem Urteil vom 13. Januar 2012 (www.vgstuttgart.de/servlet/PB/menu/1274713/index.html?ROO...) klar, dass der Schlichterspruch keine rechtsverbindliche, bindende Wirkung entfalte.
Verehrter Herr Lauer, auch wenn der Großteil der Bäume innerhalb des Baufelds gesund waren, so konnten durch diese zusätzliche Maßnahme immerhin ein Drittel vor dem Fällen bewahrt werden. Es kann daher keine Rede davon sein, dass Versprechen gebrochen wurden.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weitergeholfen zu haben und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Dietrich