Sehr geehrte Frau Bochnig,
ich bedanke mich ausdrücklich für Ihre ernste und wichtige Frage, die uns die Gelegenheit gibt, die Legende vom nicht vorhandenen Brandschutz auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, denn selbstverständlich genießt die Sicherheit aller Menschen im neuen Hauptbahnhof und den anschließenden Tunnelabschnitten höchste Priorität.
Brände von Personenzügen in Deutschland sind äußerst selten. In den letzten Jahrzehnten ist kein einziger Reisender in Folge eines Zugbrandes in einem der rund 800 Eisenbahntunnel oder den rund 50 unterirdischen Verkehrs- stationen der Deutschen Bahn zu Schaden gekommen. Stetig steigende Anforderungen an die Sicherheit und den Brandschutz von Infrastruktur und Rollmaterial sorgen dabei für ein weiter wachsendes Sicherheitsniveau.
Sollte trotz aller Sicherheitsvorkehrungen dennoch einmal ein brennender Zug einen der Tunnel von Stuttgart 21 und schließlich in den neuen Hauptbahnhof einfahren, greift ein mehrstufiges Entrauchungs- und Rettungskonzept. Im Fokus steht dabei zunächst die zuverlässige Entrauchung der Station, um eine sichere Evakuierung zu ermöglichen. Dazu werden am Brandherd je 7 Quadrat- meter große Öffnungen in mehreren Lichtaugen gezielt geöffnet und gleichzeitig über leistungsstarke Lüfter von beiden Seiten große Mengen Luft in Richtung Hauptbahnhof gedrückt. Die hineinströmende Luft nimmt dabei den Rauch auf, der kurz darauf über die Öffnungen im Dach entweicht. Gutachten und Entrauchungsversuchen an mehreren Modellen haben gezeigt, dass die Rauchentwicklung damit auf den unmittelbaren Bereich des Brandherdes begrenzt und die übrige Bahnhofshalle praktisch rauchfrei gehalten werden kann.
Mit der zuverlässigen Entrauchung einher geht die Evakuierung der Bahnhofshalle. In den ersten Minuten der Evakuierung steht dabei die Selbstrettung im Vordergrund. Der allergrößte Teil der Reisenden verlässt die Station über die zahlreichen Treppen und Zugänge. Dies bedeutet selbstverständlich nicht, dass nicht gehfähige Reisende Rauch ausgesetzt werden oder gar mit dem Brand in Berührung kommen, wie dies vielfach behauptet wird. Vielmehr wird durch das Entrauchungskonzept sichergestellt, dass weite Teile des Bahnsteigs über die Selbstrettungsphase hinaus rauchfrei gehalten werden. Diese Bereiche bleiben auch während des Brandes rauchfrei.
An dieser Stelle setzt mit der Fremdrettungsphase nun ein weiterer Baustein des vielschichtigen Sicherheitskonzepts an. Aus allen vier Himmelsrichtungen können Rettungskräfte auf kurzen Wegen in den Bahnhof strömen, um den Brand zu bekämpfen und einzelne verbliebene Reisenden zu evakuieren.
Obwohl der neue Hauptbahnhof und die daran anschließenden Tunnel in vielerlei Hinsicht neue Maßstäbe für den Brandschutz von unterirdischen Verkehrsanlagen setzt, arbeitet die Deutsche Bahn im Moment mit Hochdruck daran, das ohnehin schon sehr hohe Sicherheitsniveau weiter zu steigern. Zum einen steht hier die Anpassung des Brandschutz- und Sicherheitskonzeptes an eine neue, im Jahr 2010 in Kraft getretene Richtlinie an. Zum anderen befindet sich die Bahn in konstruktiven Gesprächen mit den zuständigen Brand- schutzbehörden, um weitere Verbesserungen in die Planung aufzunehmen.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weitergeholfen zu haben und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Dietrich