Sehr geehrter Herr Pust,
ich danke Ihnen für Ihre Rückfragen, die ich gerne beantworte.
Die Evakuierung von Zügen ist kein spezielles Thema nur für Tunnel, sondern betrifft das ganze Streckennetz. Im Gegensatz zu einem Schotteroberbau auf der freien Strecke sind die Verhältnisse in Tunnelanlagen wegen der fest installierten Fluchtwege, die sich mindestens in Höhe der Schienenoberkante befinden, wesentlich besser. Der zu überwindende Höhenunterschied beim Ausstieg wurde in den letzten zwei Jahrzehnten von etlichen Experten- gruppen immer wieder diskutiert und bewertet. Man hat daher auch im Laufe der Zeit die in einigen älteren Tunneln vorhandenen bahnsteigähnlichen Fluchtwege wieder verlassen, da man festgestellt hat, dass diese zwar tatsächlich den unmittelbaren Ausstieg erleichtern, aber in der Folge auf Grund ihrer eingeschränkten Breite die Fluchtgeschwindigkeit behindern und in einem Panikfall sogar die Gefahr besteht, dass flüchtende Personen ins Gleis fallen können. Daher ist die jetzt in Deutschland mit den Sicherheits- experten und Feuerwehren abgesprochene Lösung die beste Option.
Außerdem liegt bei den meisten Zugtypen die Höhe der unteren Trittstufe weit unter einem Meter. Beim ICE sind dieses z.B. 77 cm. In etlichen Übungen und leider auch schon bei realen Evakuierungen hat sich dieses nicht als Problem herausgestellt. Zusätzlich gibt es z.B. in den ICE zusätzliche Evakuierungsleitern für den Notfall.
Im Gegensatz zu Straßenfahrzeugen haben Schienenfahrzeuge einen sehr hohen Brandschutz. Dieser wurde nach umfassenden Diskussionen in den letzten Jahren in der europäischen Norm EN 45545 vereinheitlicht. Die vormalige DIN 5510 ist in dieser Norm aufgegangen. Damit ist sichergestellt, dass alle Fahrzeuge auf dem europäischen Streckennetz unabhängig vom Betreiber den gleichen hohen Brandschutz gewährleisten. Die Höhe des Brandschutzes in den Fahrzeugen hängt ab von der Tunnellänge. In den neuen Anlagen in Stuttgart dürfen nur noch Fahrzeuge verkehren, die die Brandschutzstufe 3 der Norm erfüllen. Diese Fahrzeuge sind so gebaut, dass sie auch noch bei einem Brand im Fahrzeug 15 Minuten weiterfahren können und damit in der Lage sind den Tunnel sicher zu verlassen.
Da es in Schienenfahrzeugen im Gegensatz zu Straßenfahrzeugen einen hohen Brandschutz gibt, sind Brände in Eisenbahntunneln auch extrem selten. Obwohl allein in Deutschland tausende Züge Tag für Tag durch ca. 900 Tunnel mit einer Gesamtlänge von ca. 750 Kilometern fahren, kam in den letzten Jahrzehnten kein einziger Reisender durch einen Brand in einem der Tunnel ernsthaft zu Schaden.
Ich hoffe, Ihre Fragen damit umfassend beantwortet zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Dietrich