Liebe direktzu®-Nutzer,

32.000 Menschen haben abgestimmt, mehr als 650 Fragen wurden beantwortet – dies ist die Bilanz der Bürgerdialogplattform „Direktzu Stuttgart 21“, die im September 2010 online ging. Seitdem wurde von unseren Fachleuten detailliert Stellung bezogen zu vielen Themen rund um das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm. Alle unsere Antworten auf Ihre wichtigsten Fragen finden Sie hier auf dieser Plattform.

Seit 2010 hat sich das Projekt grundlegend verändert. Es geht nicht mehr um das „ob“, sondern um das „wie“. Nach Jahren der Planung und des politischen Diskurses treten die Umsetzung des Bahnprojektes und damit die Bauarbeiten immer mehr in den Vordergrund, was an vielen Stellen der Stadt und entlang der Autobahn nach Ulm zu sehen ist.

Für die zunehmenden Fragen rund ums Bauen haben wir ein „Informationszentrum“ eingerichtet, über welches sich insbesondere betroffene Bürgerinnen und Bürger rund um die Uhr an sieben Tagen pro Woche über das aktuelle Baugeschehen informieren können.

Wir freuen uns weiterhin über Ihr Interesse an unserem Projekt.

Beantwortet
Autor Karsten vom Bruch am 02. Februar 2011
29177 Leser · 17 Stimmen (-2 / +15)

Durchgangsbahnhof: Kapazität, Architektur, Barrierefreiheit

Diskrepanz zwischen Werbebroschüren und realen Planungen

Sehr geehrte Damen und Herren.

In den Werbebroschüren, die dieser Tage an Haushalte in der Region verteilt werden, ist immer noch von den in der Schlichtung geforderten barrierefreien Fluchtwegen die Rede.

Herr Kefer hat jedoch erklärt, dass Rollstuhlfahrer die Bahnsteige im Hauptbahnhof im Brandfall nicht selbst verlassen können, und dass Mitreisende und das Bahnpersonal per Lautsprecherdurchsage zur Mithillfe aufgefordert werden sollen. Sollte auch das nicht gelingen, antwortet er wie folgt.

http://direktzu.de/stuttgart21/messages/29870

Zitat Kefer:
"Alle Menschen, die bei der Evakuierung auf Dritte angewiesen sind, können sich ungefährdet von einem Brandereignis auf der Bahnsteigebene zu einem der nicht von Rauch beeinträchtigten Stegen begeben und dort falls erforderlich ungefährdet die Fremdrettung (Feuerwehr) erwarten."

Warum wird in Ihren Broschüren verbreitet dass die Fluchtwege barrierefrei werden, wenn dies definitiv nach Aussage von Herrn Kefer so gar nicht vorgesehen ist?

+13

Über diesen Beitrag kann nicht mehr abgestimmt werden, da er bereits beantwortet wurde.

Antwort
von Dr. Volker Kefer am 05. April 2011
Dr. Volker Kefer

Sehr geehrter Herr vom Bruch,

gleichlautend zu Ihrer Frage bei Direkt-Zu wird von der Initiative „Barriere-frei“ und Parkschützer in einer Presseinformation am 10.03.2011 behauptet „Stuttgart 21 steckt voller Barrieren für uns Rollstuhlfahrer“. In Ihrer Anfrage wie auch in der Presseinformation werden Schlussfolgerungen gezogen, die ich gerne näher erläutern und auch entsprechend korrigieren möchte. Sie nehmen dabei Bezug auf den Infoflyer zur Faktenschlichtung der vom Kommunikationsbüro für das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm erstellt wurde. Dort werden in dem Absatz: " Was besagt der Schlichterspruch im Einzelnen", die von Herrn Dr. Geissler vorgeschlagenen Verbesserungen wiedergegeben. Eine von Ihnen dargestellte "Diskrepanz dieser Aussagen" zu unseren Planungen sehe ich nicht.

Jeder der Bahnsteige soll über jeweils drei Aufzüge barrierefrei erreichbar ausgestattet werden. Zur Situation von mobilitätseingeschränkten Personen im Evakuierungsfall ist folgendes zu sagen: Für den neuen Stuttgarter Hauptbahnhof besteht ein übergeordnetes Brandschutz- und Rettungskonzept, das den Stuttgarter Bahnknoten mit dem neuen Durchgangsbahnhof beinhaltet. In der Planfeststellung haben sowohl die Branddirektion Stuttgart als auch die höheren Katastrophenschutzbehörde dieses Konzept als richtig erkannt und schließen bei Einhaltung der entsprechenden Auflagen eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit aus. Das Eisenbahn-Bundesamt hat das Brand- und Rettungskonzept genehmigt.

Zunächst geht es darum, dass gefährlichen Ereignissen durch bauliche, technische und organisatorische Maßnahmen bestmöglich vorgebeugt wird, bzw. deren Auswirkungen erheblich reduziert werden. Dazu gehört u.a. der Einbau nicht brennbarer oder schwer entflammbarer Materialien im Gebäude und in den Zügen. Die hohe, von der Bahnsteigebene bis zur Empfangshalle offen gestaltete Bauweise, in Verbindung mit den als Rauchabzügen ausgebildeten Lichtaugen sorgt für einen raschen und ausreichenden Rauchabzug. Durch die Fluchtwegekennzeichnung und durch automatisierte Lautsprecherinformationen (Warnansagen) stehen z.B. sowohl akustische als auch optische Informationen zum sicheren Verhalten im Brandfall zur Verfügung. Das DB-weit einheitliche und erprobte Notfallmanagement und die Brandschutzorganisation im Bahnhofsmanagement sind die Grundlagen für die organisatorischen Maßnahmen im Brandfall.

Die entsprechend auszuschildernden Fluchtwege ermöglichen es den Benutzern des Stuttgarter Hauptbahnhofs - wie in allen anderen Bahnhöfen - sich im Gefahrenfall selbst in Sicherheit zu bringen. Muss beispielsweise bei einer Evakuierung der Bahnhof geräumt werden, stehen auch die Aufzüge an den Bahnsteigzugängen zu den Stegen zur Verfügung. Aufzüge stellen eine allgemein akzeptierte, rechtskonforme und dem Stand der Technik entsprechende barrierefreie Zugangsmöglichkeit dar. Damit stehen grundsätzlich im Bahnhof auch barrierefreie Fluchtwege zur Verfügung.

Nur im Ereignisfall "Brand" dürfen Aufzüge nicht benutzt werden. Damit ist es in der Tat so, dass dann Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, für die aufgrund der Art ihrer Einschränkung eine selbstständige Treppennutzung ausgeschlossen ist, auf Hilfe Dritter angewiesen sind. Für Neu- wie auch für Bestandsbauten der Deutschen Bahn ist immer die Vorgabe des Eisenbahnbundesamtes umzusetzen, wonach die Rettungswege so lange raucharm zu halten sind, bis sich alle zu Evakuierenden in sicheren Bereichen bzw. im Freien befinden. Das beinhaltet auch die sogenannte "Fremdrettungsphase", in der die Rettungskräfte (i.d.R. die Feuerwehr) Personen aus dem Gefahrenbereich bringen. Es muss immer genügend Zeit zur Evakuierung (Selbst- und Fremdrettung) zur Verfügung stehen. Entscheidend ist, dass eine entsprechend lange Phase gewährleistet ist, in der auf jeden Fall die Rettungswege nicht durch Rauchbildung beeinträchtigt sind. In unterschiedlichen Szenarien wird dies mittels anerkannter Simulationsverfahren nachgewiesen. Das gilt auch für den neuen Stuttgarter Hauptbahnhof.

In Stuttgart Hbf können sich Fahrgäste bei einem Brandereignis auf der Bahnsteigebene barrierefrei bewegen. Insgesamt stehen auf den 400 Meter langen Bahnsteigen drei Verteilerstege zur Verfügung. Auf jeden Fall kann man sich dann über i.d.R. mindestens zwei von einander unabhängige Stege in Sicherheit bringen. Mobilitätseingeschränkte Personen können sich mit dem allgemeinen Personenstrom zu diesen Zugängen bewegen. Dort befinden sie sich auch auf der Bahnsteigebene in einem für einen ausreichenden Zeitraum sicheren rauchfreien Bereich. Es ist anhand umfangreicher Simulationen verschiedener Szenarien nachgewiesen, dass genügend Zeit zur Verfügung steht und erst nach Abschluss der Fremdrettung durch die Feuerwehr mit einer möglichen Rauchbeeinträchtigung zu rechnen ist. Im neuen Stuttgarter Hbf wird entsprechend der Forderungen des Behindertengleichstellungsgesetzes über Aufzugsanlagen auch die Bahnsteigebene barrierefrei erschlossen. Es ist sichergestellt, dass auch bei einem Brandereignis auf der Bahnsteigebene die Sicherheit der in der Mobilität eingeschränkten Reisenden gewährleistet wird.

An der Stelle noch der Hinweis zu der Behauptung, der heutige Stuttgarter Kopfbahnhof sei komplett barrierefrei. Richtig ist, dass die Bahnsteige auf einer Ebene barrierefrei zu erreichen sind. Um jedoch in den Bahnhof überhaupt hineinzukommen, steht nur einen einziger ebener Zugang am Nordausgang zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Volker Kefer - Vorstand Technik, Systemverbund, Dienstleistungen und Infrastruktur der DB