Sehr geehrter Herr Sauer,
ich danke für Ihre Frage, die ich gerne beantworte.
Mit dem Stresstest wurde mit bisher nie dagewesenen Aufwand der Nachweis erbracht, dass der neue Stuttgarter Bahnknoten 49 ankommende Züge zur Spitzenstunde abfertigen und gleichzeitig Verspätungen abbauen kann. Die Bestimmung der größtmöglichen Leistungsfähigkeit war indes weder für den bestehenden noch für den zukünftigen Bahnknoten gefordert.
Der Stresstest war dabei bei weitem nicht die erste Untersuchung zur Leistungsfähigkeit der bestehenden und zukünftigen Bahnanlagen. So wurden bereits im Rahmen der Machbarkeitsstudie von 1994 eingehende betriebliche Untersuchungen zur Gestaltung der Infrastruktur angestellt. In den folgenden Jahren folgten zahlreiche weitere Analysen. 2005 kamen schließlich Untersuchungen des Verkehrswissenschaftlichen Instituts der Universität Stuttgart zu dem Schluss, dass selbst mit Ausbauten der bestehende Bahnknoten weniger leisten kann als die neuen Anlagen. Der so genannte "optimale Leistungsbereich", in der eine Bahnanlage weder zu wenig noch übermäßig belastet wird, wurde für den neuen Stuttgarter Hauptbahnhof mit 42 bis 51 Zügen pro Stunde ermittelt, für einen deutlich ausgebauten Kopfbahnhof mit 28 bis 38 Zügen.
Wie wir bereits mehrfach dargelegt haben, ist unstrittig, dass der bestehende Stuttgarter Hauptbahnhof über mehr als ausreichend Bahnsteiggleise verfügt, um das heutige Betriebsprogramm zu bewältigen. Der Engpass ist, dass der Großteil der Züge weiterhin über zwei Gleise dem Hauptbahnhof zugeführt werden. Diese können im Bahnhofsbereich nur langsam befahren werden, während sich ein- und ausfahrende Züge vielfach im Weg stehen. Die substantiellen Leistungsbremsen des bestehenden Bahnknotens werden auch mit der geringfügig angehobenen Einfahrgeschwindigkeit nicht beseitigt. Nachdem auch die Möglichkeiten der Signaltechnik im heutigen Bahnknoten weitgehend ausgereizt sind, wären große Sprünge ohne massive, weitreichende Umbauten nicht möglich. Hinzu kommt, dass die letzten 400 m vor den Prellböcken max. Geschwindigkeiten von 30 km/h gelten.
Die durchschnittliche Einfahrgeschwindigkeit in den neuen Hauptbahnhof beträgt dagegen rund 80 km/h, der Zulauf ist über vier Gleise möglich und auch ein- und ausfahrende Züge behindern sich zukünftig in der Regel nicht mehr. Es verwundert daher nicht, dass SMA und Partner als unabhängige Sachverständige dargelegt haben, wie gerade aus Richtung Bad Cannstatt zukünftig eine bessere Betriebsqualität erwartet werden kann. Wie bereits aufgezeigt, hat der Gutachter dabei auch umfangreiche Daten zur Pünktlichkeitsentwicklung der bestehenden Anlagen ausgewertet und in seinem Abschlussbericht darüber eingehend Bericht erstattet.
Aufgrund der Komplexität des Eisenbahnbetriebs sind darüber hinausgehende einfache Aussagen über die von SMA vorgelegten Durchschnittswerte hinaus nicht sinnvoll möglich. So hängt die Zahl verspäteter Züge und deren Fahrplanabweichung von vielen Randbedingungen ab. Würden alle einfahrenden Züge exakt zur fahrplanmäßigen Zeit in den Bereich des bestehenden Hauptbahnhofs einfahren und keine weiteren Behinderungen auftreten, wäre auch auf den bestehenden Anlagen ein fahrplantreuer Betrieb möglich. Da ein solcher Schönwetter-Betrieb jedoch unrealistisch ist, wurden im Stresstest für den neuen Bahnknoten zahlreiche Störfaktoren eingebaut, um belastbare Aussagen zu erhalten.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Erläuterungen dennoch weitergeholfen zu haben und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Dietrich