Liebe direktzu®-Nutzer,

32.000 Menschen haben abgestimmt, mehr als 650 Fragen wurden beantwortet – dies ist die Bilanz der Bürgerdialogplattform „Direktzu Stuttgart 21“, die im September 2010 online ging. Seitdem wurde von unseren Fachleuten detailliert Stellung bezogen zu vielen Themen rund um das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm. Alle unsere Antworten auf Ihre wichtigsten Fragen finden Sie hier auf dieser Plattform.

Seit 2010 hat sich das Projekt grundlegend verändert. Es geht nicht mehr um das „ob“, sondern um das „wie“. Nach Jahren der Planung und des politischen Diskurses treten die Umsetzung des Bahnprojektes und damit die Bauarbeiten immer mehr in den Vordergrund, was an vielen Stellen der Stadt und entlang der Autobahn nach Ulm zu sehen ist.

Für die zunehmenden Fragen rund ums Bauen haben wir ein „Informationszentrum“ eingerichtet, über welches sich insbesondere betroffene Bürgerinnen und Bürger rund um die Uhr an sieben Tagen pro Woche über das aktuelle Baugeschehen informieren können.

Wir freuen uns weiterhin über Ihr Interesse an unserem Projekt.

Beantwortet
Autor Peter Reinhart am 06. Juni 2011
19216 Leser · 20 Stimmen (-7 / +13)

Neubaustrecke Ulm-Wendlingen: Fahrzeiten, Güterverkehr, Magistrale

Schwungfahrten auf Wendlingen--Ulm

Sehr geehrter Herr Dr. Kefer,

ein zentraler Punkt in der Debatte um die Neubaustrecke Wendlingen--Ulm ist die Frage, mit welchem Gewicht Güterzüge die Neubaustrecke Wendlingen--Ulm befahren können. Die Strecke weist Steigungen von bis zu 25 Promille auf; auf einer Länge von rund 1,5 km wird Richtung Ulm eine Steigung von 31 Promille erreicht.

In einer Antwort Ihres Unternehmens auf eine Kleine Anfrage am Deutschen Bundestag (siehe [1]) wird angedeutet, dass im täglichen Betrieb darauf verzichtet werden könnte, in dieser Steigung in jedem Fall aus dem Stillstand anfahren zu können. Wenn mit "Schwung" in diese Steigung eingefahren und diese anschließend durchfahren werden könnte, wären größere Güterzuglasten möglich (so genannte "Anlaufsteigungen"). Kritiker verweisen dagegen darauf, dass nur mit zwei Lokomotiven überhaupt eine Last von rund 1.000 Tonnen gezogen werden könnte, da auch in dieser starken Steigung angefahren werden könne müsse.

Ist denn tatsächlich geplant, vom Instrument der Anlaufsteigung Gebrauch zu machen oder ist dies noch Gegenstand weiterer Diskussionen?

Mit besten Grüßen
Peter Reinhart

[1] http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/057/1705700.pdf (Seite 5 -- Antwort auf Frage 12)
[2] http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Neubaustrecke_W...

+6

Über diesen Beitrag kann nicht mehr abgestimmt werden, da er bereits beantwortet wurde.

Antwort
von Dr. Volker Kefer am 25. August 2011
Dr. Volker Kefer

Sehr geehrter Herr Reinhart,

bei der Planung der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm wurden die fahrdynamischen Möglichkeiten intensiv geprüft. Die Ergebnisse dieser Prüfungen sind aufgrund der Steigungsverhältnisse auf der Neubaustrecke von besonderer Bedeutung. Berücksichtigt wurden dabei die internationalen europaweit gültigen Normen für die Trassierung von Hochgeschwindigkeitsstrecken. Die Strecke entspricht mit einer durchschnittlichen Neigung von max. 25 Promille diesen Vorgaben. Richtung Ulm gibt es in einem kurzen Abschnitt bei Aichelberg eine Steigung von 31 Promille, in Richtung Wendlingen bestehen bei Ulm im Anstieg zur Albhochfläche Steigungen von 25 Promille.

Mit modernen Lokomotiven können dabei ohne Weiteres Güterzüge mit Anhängelasten von 1.000 und mehr Tonnen über die Neubaustrecke verkehren. So kann eine Lokomotive der Baureihe 185 in Richtung Ulm bis zu 1.065 Tonnen ziehen, in Richtung Wendlingen sogar 1.445 Tonnen. Lokomotiven der Reihe 189 erreichen 1.100 bzw. 1.495 Tonnen. Mit dem Einsatz einer zweiten Lok werden von der Baureihe 185 sogar 2.150 bzw. 2.850 Tonnen erreicht.

Die Anlaufsteigung ist kein "Instrument" der Betriebsführung. Es ist vielmehr eine Berechnungsmethode, welche für die Einfahrt in eine Steigung Rückschlüsse auf die Wirkung von Zug- und Widerstandskräften zulässt. Die so genannten "Anlaufsteigung" bedeutet vereinfacht ausgedrückt, dass jeweils vor entsprechenden Steigungen die Züge die Geschwindigkeit anpassen und dann quasi mit Anlauf die kurzen Steigungsrampen überwinden. Damit würden die Anhängelasten für die Güterzüge Richtung Ulm denen Richtung Wendlingen entsprechen. Für den konkreten Betriebsablauf werden bis zur Inbetriebnahme in "örtlichen Richtlinien" Regelungen für den Betrieb der Strecke aufgestellt. Darin werden dann auch die maßgeblichen Lasten etc. festgelegt. Unabhängig von diesen künftigen Regelungen steht fest, dass die Neubaustrecke zwischen Wendlingen und Ulm auch für den Güterverkehr entsprechend geeignet ist.

Seit den frühen 1980er Jahren wurde eine Vielzahl von groß- und kleinräumigen Varianten für Neu- und Ausbaulösungen für den Korridor zwischen Stuttgart und Ulm geprüft. Dabei wurden auch verschiedene Varianten von flacher geneigten Strecken geprüft, die noch größere Zuggewichte erlaubt hätten. In einem intensiven Abwägungsprozess hat sich die jetzt gewählte Trasse als Vorzugsvariante herausgestellt. Mit dem Bau dieser Trasse entlang der Bundesautobahn A8 wurde bereits begonnen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Volker Kefer - Vorstand Technik, Systemverbund, Dienstleistungen und Infrastruktur der DB