Sehr geehrter Herr Lehmann,
zu den von Ihnen angesprochenen Sicherheitsfragen in Tunnels bestehen sehr detaillierte Vorschriften. In der Richtlinie des Eisenbahn-Bundesamtes, die zuletzt mit dem Inkrafttreten europäischer Richtlinien zum 01.07.2008 aktualisiert wurde, werden die Anforderungen des „Brand- und Katastrophenschutzes an den Bau und den Betrieb von Eisenbahntunneln“ definiert. Die Deutsche Bahn stellt sicher, dass alle Sicherheitsstandards beachtet und eingehalten werden.
Bei allen beim Bahnprojekt Stuttgart-Ulm vorgesehen Tunnel sind jeweils Tunnel mit zwei getrennten und parallel verlaufenden Einzelröhren geplant. Ein vierstufiges Sicherheitskonzept gewährleistet einen größtmöglichen Sicherheitsstandard . Wesentliche Elemente dieses Sicherheitskonzeptes sind:
1) Vorbeugende Maßnahmen zur Reduzierung der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Unfalls, z. B. durch den Bau von getrennten Röhren
2) Ereignismindernde Maßnahmen sorgen dafür, dass ein Zug mit einem Brand möglichst nicht im Tunnel zum Stehen kommt. Hierzu gehört z. B. ein technisches System, das es dem Lokführer ermöglicht, eine durch Reisende bedienteNotbremse so lange zu überbrücken bis der Zug aus dem Tunnel heraus gefahren ist.
3) Maßnahmen der Selbstrettung: Durch bauliche und technische Einrichtungen wird den betroffenen Personen das Verlassen des Tunnels ermöglicht. Hierzu gehören z. B. Fluchtwege, Fluchtwegkennzeichnung und Sicherheitsbeleuchtung, aber auch die benachbarte Tunnelröhre, die im Ereignisfall als sicherer Bereich dient und über Querschläge mit integrierter Schleuse im Abstand von maximal 500 m erreicht werden kann.
4) Maßnahmen der Fremdrettung: Die benachbarte Röhre dient auch als Zugangsweg für die Feuerwehr und die Rettungsdienste. Das Gleis wird so hergerichtet, dass es mit Straßenfahrzeugen befahrbar ist. Weitere Maßnahmen der Fremdrettung sind u. a. Löschwasserversorgung, elektrische Energie, Transporthilfen und Funktion des Feuerwehrfunks.
Anders als auf der Schnellfahrstrecke von Mannheim nach Stuttgart, auf der Rettungszüge eingesetzt werden, sieht das Sicherheitskonzept in neuen Tunneln die Möglichkeit vor, dass die Fremdrettungskräfte direkt in die nicht betroffene Röhre mit ihren Fahrzeugen einfahren können. Diese nicht betroffene Röhre ist ein definierter sicherer Bereich. Weitere Aufgaben der Rettungszüge sind die Bereitstellung von Löschwasser, elektrischer Energie, Beleuchtungs- und Kommunikationseinrichtungen sowie Rettungsgerät. Alle diese Komponenten sind in den neuen Tunneln bauseitig vorhanden bzw. werden mit den Fahrzeugen der Feuerwehr direkt vor Ort gebracht. Von daher sind Rettungszüge in neuen Tunneln generell nicht mehr erforderlich.
Die Zufahrt für die Rettungskräfte erfolgt bei Stuttgart 21 und der Neubaustrecke nach Ulm über speziell eingerichtete Rettungsflächen an den Tunnelportalen. Von dort aus fahren z.B. Feuerwehrfahrzeuge, Notarzt etc. in diese zweite Röhre ein. Die Tunnel können auch mit normalen Straßenfahrzeugen befahren werden, die Fahrgäste können direkt vor Ort im Tunnel z.B. in einen Bus einsteigen und auf diesem Weg dann schnell und sicher den Einsatzort verlassen. Die Tunnelquerschnitte ermöglichen es, dass Fahrzeuge im Tunnel aneinander vorbeifahren, oder sich überholen können.
Die Konstruktion der eingleisigen Tunnel ist an dieses Sicherheitskonzept angepasst. Zu den alle 500 Meter angebrachten Verbindungsschleusen führt ein seitlich angebrachter entsprechend gekennzeichneter Weg, der als Sicherheitsraum freigehalten wird. Der Abstand zwischen dem Fahrzeug und der Tunnelwand beträgt mindestens 1,20 Meter. Somit ist sichergestellt, dass Fahrgäste auf kurzem Weg den nächsten „Querschlag“ mit Schleuse problemlos erreichen können. Die Einrichtungen der Beleuchtung, der Stromversorgung und der Kommunikation sind so ausgelegt, dass diese als System bei einem Brandfall für mindestens 90 Minuten funktionsfähig bleiben, d. h. auch wenn einzelne Komponenten durch einen Unfall beschädigt werden, bleiben die übrigen Komponenten dieses Systems funktionsfähig. Die Beleuchtung ist zudem batteriegepuffert, d. h. auch bei einem Stromausfall bleibt sie für mindestens drei Stunden funktionsfähig.
In den Stationen sorgen stationäre Ersatzgeneratoren - bei dem allerdings unwahrscheinlichen Fall - eines vollständigen Stromausfalls dafür, dass wichtige Einrichtungen weiter funktionieren. Dazu gehören neben den Kommunikationssystemen z.B. auch so genannte Feuerwehraufzüge, die im Bedarfsfall dann über diese Ersatzsysteme versorgt werden. Diese können dann auch von den Fahrgästen genutzt werden. Es stehen in den Bahnhöfen z.B. am neuen Stuttgarter Hauptbahnhof oder am Flughafen kurze alternative Fluchtwege zur Verfügung.
Insgesamt bietet die bauliche Gestaltung der Anlagen in Verbindung mit einem bewährten Notfallmanagement der Deutschen Bahn einen hohen Sicherheitsstandard und gewährleisten die Sicherheit im Betrieb und bei Problemfällen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Kefer - Vorstand Technik, Systemverbund, Dienstleistungen und Infrastruktur der DB