Sehr geehrter Herr Birkenmaier,
Bahnhöfe sind aufgrund ihrer infrastrukturellen Gegebenheiten und ihrer betrieblichen Aufgabenstellungen nur schwerlich miteinander zu vergleichen. Deshalb lässt die Verfügbarkeit einer bestimmten Anzahl von Bahnsteiggleisen in dem einen Bahnhof keine Rückschlüsse über die Notwendigkeit einer bestimmten Anzahl von Bahnsteiggleisen in einem anderen Bahnhof zu.
Beispiel Nürnberg Hauptbahnhof: Der Bahnhof Nürnberg Hauptbahnhof ist ein wichtiger Knotenbahnhof im süddeutschen Eisenbahnnetz. Der Bahnhof wird von sechs Bahnstrecken unmittelbar angebunden: aus Fürth (Bay), aus Ansbach/Treuchtlingen, von der Neubaustrecke aus Ingolstadt, aus Regensburg, aus Amberg/Weiden (Oberpfalz) und aus Bayreuth/Marktredwitz.
Nürnberg wird täglich von rund 150 Fernverkehrszügen und etwa 310 Regionalzügen angefahren. In der Angebotskonzeption des Regionalverkehrs enden und beginnen die Regionalverkehrszüge überwiegend in Nürnberg, wie es heute auch in Stuttgart der Fall ist.
Betrieblich werden in Nürnberg fahrplanmäßig die Bahnsteiggleise 1 bis 9 und 12 bis 22 genutzt, wobei die S-Bahn Nürnberg von den zwanzig Gleisen fünf mit nutzt.
Beispiel Karlsruhe Hauptbahnhof: Der Bahnhof Karlsruhe Hauptbahnhof ist ein wichtiger Knotenbahnhof im südwestdeutschen Eisenbahnnetz. Der Bahnhof wird von fünf Bahnstrecken unmittelbar angebunden: aus Rastatt über Ettlingen West, aus Rastatt über Durmersheim, aus Karlsruhe-Durlach, aus Graben-Neudorf und aus Wörth (Rhein).
Karlsruhe wird täglich von rund 130 Fernverkehrszügen und etwa 130 Regionalzügen angefahren. In der Angebotskonzeption des Regionalverkehrs enden und beginnen die Regionalverkehrszüge überwiegend in Karlsruhe, vergleichbar mit der heutigen Situation im Stuttgarter Hauptbahnhof. Darüber hinaus fährt die S-Bahn Rhein-Necker mit der Linie 3 Germersheim - Speyer - Ludwigshafen (Rhein) - Mannheim - Heidelberg - Karlsruhe ebenso den Hauptbahnhof Karlsruhe an wie auch die Albtal-Verkehrsgesellschaft (AVG) mit den Stadtbahnlinien S 31 Odenheim Bahnhof - Freudenstadt und S 32 Menzingen (Baden) - Bühl (Baden). Zusammen mit Einzelzügen anderer Linien sind dies rund 120 S-Bahn-Züge pro Tag.
Betrieblich werden in Karlsruhe fahrplanmäßig die Bahnsteiggleise 1 bis 14 sowie die Stumpfgleise 101 und 102 des „Pfälzer Bahnhofs“ genutzt, wobei die S-Bahnen bis auf die beiden Hauptdurchgangs- und die beiden Stumpfgleise alle Gleise mit nutzt.
Mit Stuttgart 21 lassen sich im Bahnknoten Stuttgart die Hauptverkehrsströme besser konzentrieren. Der neue Durchgangsbahnhof wird unmittelbar von vier zweigleisigen Strecken angebunden, die paarig auf die beiden Bahnhofsköpfe verteilt sind. Auf der einen Bahnhofsseite die Anbindung mit dem Fildertunnel an die Neubaustrecke nach Ulm über Flughafen/Messe mit Verzweigung im Tunnel ins Neckartal nach Ober-/Untertürkheim. Auf der anderen Bahnhofsseite die Anbindung der Strecken aus Stuttgart-Feuerbach und Stuttgart-Bad Cannstatt. Die Angebotskonzeption Schienenpersonennahverkehr 2020 des Landes Baden-Württemberg sieht ausschließlich sogenannte Durchmesserlinien vor, mit denen im Gegensatz zu heute die Züge des Regionalverkehrs nicht mehr im Stuttgarter Hauptbahnhof beginnen und enden. Deshalb ist der neue Durchgangsbahnhof in Stuttgart mit acht Bahnsteiggleisen für den Fern- und Regionalverkehr ausreichend ausgestattet.
Die Bahn wird die Leistungsfähigkeit des Bahnhofs einem Stresstest bis Mitte des Jahres unterziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Dietrich - Sprecher des Bahnprojekts Stuttgart – Ulm