Sehr geehrter Herr Albert,
ich danke Ihnen für Ihre Nachricht, die ich gerne beantworte. Für die lange Bearbeitungszeit bitte ich um Entschuldigung.
Im Rahmen des Stresstests wurde der Nachweis erbracht, dass in der Spitzenstunde im neuen Hauptbahnhof 49 Züge mit wirtschaftlich optimaler Betriebsqualität abgefertigt werden können. Dabei wurde praktisch der gesamte Zugverkehr zwischen Vaihingen (Enz), Heilbronn, Schwäbisch Hall Hessental, Aalen, Ulm, Tübingen und Horb simuliert. Um die Simulation so praxisnah wie möglich zu gestalten, erhielt jeder zweite Zug am Beginn seiner Fahrt eine Verspätung zwischen einer und 60 Minuten. Das erfahrene Ingenieurbüro SMA, das den Stresstest begutachtete, hält das in die Simulation eingespielte Verspätungsniveau für größer als sich heute im realen Betrieb beobachten lässt. Auch an dieser Stelle ist das Datenmodell auf der sicheren Seite.
Neben der Fahrbarkeit von 49 Zügen zwischen 7 und 8 Uhr war im Rahmen des Stresstests eine hinreichende Betriebsqualität unter dieser Belastung nachzuweisen. Zur Bewertung wurde dabei die Entwicklung der durchschnittlichen Verspätung in drei Etappen bewertet: auf dem Weg vom Beginn des Simulationsraums bis zum Halt im neuen Hauptbahnhof, zwischen Ankunft und Abfahrt im Hauptbahnhof sowie zwischen dem Hauptbahnhof und dem Ende des Simulationsraums. Ausgewertet wurde der Zugverkehr zwischen 6 und 10 Uhr.
Das Endergebnis (finaler Simulationslauf vom 15. September) zeigt, dass auf dem Weg zum Hauptbahnhof durchschnittlich 13 Sekunden Verspätung aufgebaut werden. Aufgrund der vergleichsweise langen Haltezeiten im Hauptbahnhof können zwischen Ankunft und Abfahrt im Durchschnitt 52 Sekunden abgebaut werden, während zwischen Abfahrt und dem Ende des Simulationsraums wiederum sechs Sekunden Verspätung aufgebaut werden. In Summe geht die durchschnittliche Verspätung bei der Fahrt durch den Simulationsraum um 33 Sekunden zurück.
Ein tieferer Blick zeigt, dass Verspätungen fast durchweg im bestehenden Netz aufgebaut werden, während der neue Bahnknoten und die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm weitgehend Verspätungen abbauen können. So verlieren Züge auf dem neuen Weg von Ulm nach Stuttgart im Mittel 15 Sekunden Verspätung, während auf der bestehenden Strecke durchschnittlich knapp 20 Sekunden aufgebaut werden. Fernzüge, die von Vaihingen (Enz) kommend über Stuttgart nach Ulm fahren, können ebenfalls rund 20 Sekunden Verspätung abbauen. Zum Vergleich: Heute steigt das Verspätungsniveau von durchgehenden Fernzügen auf dem Weg von Vaihingen (Enz) über Stuttgart Hauptbahnhof nach Ulm Hauptbahnhof um rund eineinhalb Minuten an (siehe SMA-Schlussbericht, SI-05, S. 14).
Gegenüber dem heutigen Zustand werden zukünftig wesentlich weniger Züge auf Einfahrt in den Hauptbahnhof warten müssen. Größere Verspätungen werden nur im Umland aufgebaut und sind unabhängig von Stuttgart 21. Weitere Verbesserungen an der Infrastruktur von Stuttgart 21 sind dabei selbstverständlich langfristig denkbar. So wird im Zuge der Bauarbeiten beispielsweise der Anschluss eines dritten und vierten Gleises auf dem stärkstbelasteten Abschnitt zwischen Zuffenhausen und dem Hauptbahnhof baulich gleich mit vorbereitet. Aus heutiger Sicht gibt es für diese und weitere Ergänzungen noch keinen Bedarf – der neue Hauptbahnhof lässt auch bei (gegenüber heute) deutlich angehobenen Zugzahlen weniger Verspätungen als heute erwarten.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Nachricht gedient zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Dietrich