Sehr geehrter Herr Schiersmann,
mit Stuttgart 21 benötigt die Deutsche Bahn AG die Trasse der heutigen Gäubahnstrecke Stuttgart–Horb–Rottweil–Tuttlingen–Singen über Stuttgart-West innerhalb des Stuttgarter Stadtgebiets nicht mehr. Aus diesem Grund hat die Landeshauptstadt Stuttgart die Flächen der Trasse im Stadtgebiet gekauft. Dies ist auch im Rahmenplan von Stuttgart 21 zugrunde gelegt.
Die heutige Gäubahn wird bis zur Inbetriebnahme von Stuttgart 21 betrieblich genutzt. Danach gehen die Flächen auf Stuttgarter Gemarkung in den Besitz der Stadt über, die bereits seit 2001 Eigentümerin ist. Die Gäubahnflächen waren Teil des Gesamtpakets beim Flächenerwerb durch die Stadt, da die Flächen nach Realisierung des Projekts Stuttgart 21 von der Bahn nicht mehr benötigt werden.
Zur zweckdienlichen Nutzung vorhandener Bestandsstrecken fahren mit Stuttgart 21 die Fern- und Regionalzüge der Gäubahnstrecke Stuttgart–Horb–Rottweil–Tuttlingen–Singen zukünftig gemeinsam mit der S-Bahn die heutige S-Bahnstrecke zwischen dem Flughafen und der Rohrer Kurve. Diese Variante stellt nach Abwägung aller Alternativen die bestmögliche Lösung dar, insbesondere vor dem Hintergrund eines für andere Trassenführungen notwendigen zusätzlichen Flächenverbrauchs im Filderbereich. Zudem wären zwei parallel verlaufende Strecken in diesem Bereich in ihrer Gesamtheit nicht ausreichend ausgelastet. Auf Basis der Antragsplanung der Deutschen Bahn AG wurden Analysen der Leistungsfähigkeit des geplanten Betriebsprogramms vorgenommen. Diese sehen die neue Streckenführung der Gäubahn als ausreichend dimensioniert an.
Die neue Streckenführung erfolgt dann für die Fern- und Regionalzüge der Gäubahn vom neuen Stuttgarter Hauptbahnhof als Durchgangsbahnhof über den 9,5 Kilometer langen Fildertunnel und die Neubaustrecke, weiter über die Einschleifung auf die Neubaustrecke im neuen 1.760 Meter langen Tunnel „Flughafenkurve“ und weiter über die heutige S-Bahnstrecke von der S-Bahn-Station Flughafen/Messe bis zur neuen Rohrer Kurve, über die zwischen Oberaichen und Dürrlewang die Filderbahn mit der bestehenden Trasse der Gäubahn verbunden wird.
Der Verband Region Stuttgart als Aufgabenträger der S-Bahn Stuttgart hat wiederum im Regionalplan die Sicherung der Trasse im „betriebsfähigen Zustand“ für den Schienenverkehr verankert, um sie bei Engpässen im S-Bahnbetrieb nach Inbetriebnahme von Stuttgart 21 weiter nutzen zu können. In diesem Zusammenhang existiert auch das Konzept Nordkreuz, mit dem eine direkte Verbindung von S-Bahn und Gäubahntrasse geschaffen würde. Das Nordkreuz gehört aber nicht zum Projektumfang des Projekts Stuttgart 21. Mit Stuttgart 21 wird aber die bauliche Realisierungsmöglichkeit vorbehalten.
Die Stadt muss aufgrund der Verankerung im Regionalplan die Flächen der Gäubahntrasse frei halten. Ob sie vom Eisenbahnbetrieb entwidmet wird oder nicht, gilt es in einem Verfahren zum Rückbau der Gleise zu entscheiden. Nach den Plänen der Stadt Stuttgart sollen die Flächen auch nicht aufgeteilt werden, sondern als zusammenhängende Trasse erhalten werden. So könnte unter Umständen beispielsweise ein Geh- und Radweg realisiert werden. Die Entwidmung der Gäubahn innerhalb der Stadtgrenzen der Landeshauptstadt ist momentan politische Absicht. Gegenwärtig ist nicht davon auszugehen, dass ein künftiger Gemeinderat andere Optionen in Betracht ziehen wird.
Ausgehend vom bestehenden Linienkonzept der S-Bahn Stuttgart, den Erfahrungen des heutigen Stör- und Notfallkonzepts, den prognostizierten Mehrverkehren im Fern- und Nahverkehr und den zusätzlichen Möglichkeiten der neuen Infrastruktur kann im Störungsfall beim Projekt Stuttgart 21 künftig noch flexibler reagiert werden. Auch für den Fall, dass bei Störungen im S-Bahn-Betrieb die Tunnelröhre in der Innenstadt zwischen Hauptbahnhof und Schwabstraße nicht genutzt werden kann. Die S-Bahnen können zukünftig unter anderem über den neuen Fildertunnel vom Stuttgarter Durchgangsbahnhof zum Flughafen fahren, über den neuen innerstädtischen Schienenring bestehen weitere Umleitungsmöglichkeiten. Damit können im neuen leistungsfähigen Durchgangsbahnhof auch beim Notfallkonzept mehr Züge fahren als im bestehenden Kopfbahnhof, das heißt, die Auswirkungen werden geringer sein als heute.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Kefer - Vorstand Technik, Systemverbund, Dienstleistungen und Infrastruktur der DB