Liebe direktzu®-Nutzer,

32.000 Menschen haben abgestimmt, mehr als 650 Fragen wurden beantwortet – dies ist die Bilanz der Bürgerdialogplattform „Direktzu Stuttgart 21“, die im September 2010 online ging. Seitdem wurde von unseren Fachleuten detailliert Stellung bezogen zu vielen Themen rund um das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm. Alle unsere Antworten auf Ihre wichtigsten Fragen finden Sie hier auf dieser Plattform.

Seit 2010 hat sich das Projekt grundlegend verändert. Es geht nicht mehr um das „ob“, sondern um das „wie“. Nach Jahren der Planung und des politischen Diskurses treten die Umsetzung des Bahnprojektes und damit die Bauarbeiten immer mehr in den Vordergrund, was an vielen Stellen der Stadt und entlang der Autobahn nach Ulm zu sehen ist.

Für die zunehmenden Fragen rund ums Bauen haben wir ein „Informationszentrum“ eingerichtet, über welches sich insbesondere betroffene Bürgerinnen und Bürger rund um die Uhr an sieben Tagen pro Woche über das aktuelle Baugeschehen informieren können.

Wir freuen uns weiterhin über Ihr Interesse an unserem Projekt.

Beantwortet
Autor Conny Single am 22. Februar 2012
24940 Leser · 40 Stimmen (-12 / +28)

Durchgangsbahnhof: Kapazität, Architektur, Barrierefreiheit

Widerspruch: Verpflichtung / „Schau’n mer mal“

Sehr geehrter Herr Dr. Kefer,

Vorausgeschickt: Der Stuttgarter Bahnhof verzeichnet TÄGLICH 240.000 Passagieren und Bahnhofsbesucher.

Anhand den durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie http://bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/wirtschaf... (Seite 2) ermittelten Zahlen ergibt sich:

120.000 Passagiere und Bahnhofsbesucher (täglich) sind auf Barrierefreiheit angewiesen
120.000 Passagiere und Bahnhofsbesucher (täglich) wünschen Komfort

=> Sind Komfort, Sicherheit und Barrierefreiheit für täglich 240.000 Bahnkunden anderen Interessen nachrangig?

Im Folgenden beziehe ich mich auf Ihre Äußerungen in „Zur Sache - Extra“ (Quellen siehe unten) in der Woche vor dem Volksentscheid. Sie wurden zu den Veränderungen NACH der Schlichtung gefragt und haben geantwortet:

Zitat 1 „Und ich habe mich zum damaligen Zeitpunkt [Schlichtung] persönlich dazu verpflichtet, Sorge dafür zu tragen, dass die Sicherheitsstandards nicht nur eingehalten werden, die vom Eisenbahnbundesamt, also von der Aufsichtsbehörde, gefordert wurden, sondern dass wir sie an bestimmten Stellen auch verbessern.“

Zitat 2 „Das werden wir dann sehen und das werden Sie dann sehen, wenn der Bahnhof gebaut ist.“
Widerspruch: Verpflichtung / „Schau’n mer mal“
Man kann das nun so auslegen, dass - nach angeblich 15jähriger intensivster und fachmännischer Planung - erst einmal „irgendetwas“ gebaut wird und Ihre Bahnkunden „irgendwann“ akzeptieren und „ausbaden“ müssen, was aufgrund der im voraus bekannten Topografie (Enge der Schneise zwischen Bonatzbau und LBBW sowie Gefälle) gerade noch machbar gewesen ist / optimiert werden konnte.

Widerspruch: Verpflichtung / „Schau’n mer mal“?

=> Übernehmen Sie persönlich die Verantwortung für Folgen von Sicherheitsmängeln und der Barriere-Un-Freiheit oder an wen darf man sich wenden?

Für die möglichst konkrete Beantwortung der Fragen danken wir im Voraus.

MfG

Conny Single
Initiative Barriere-Frei

Quellen:
Ganze Sendung: http://swrmediathek.de/tvshow.htm?show=b317dc40-9bdc-11df... (dort unter dem Datum suchen), Beginn Thema Barrierefreiheit/Fluchtwege Min. 72’, Fragerunde ab Min. 74’
Mitschrieb und Videos unter http://www.diskussion21.de/html/zur_sache.html

+16

Über diesen Beitrag kann nicht mehr abgestimmt werden, da er bereits beantwortet wurde.

Antwort
von Dr. Volker Kefer am 17. April 2012
Dr. Volker Kefer

Sehr geehrte Frau Single,

in Ihrem Beitrag stellen Sie die Sicherheit des neuen Stuttgarter Hauptbahnhofs und dessen Barrierefreiheit in Frage. Zu den Themen haben wir uns bereits mehrfach ausführlich geäußert, bemühen uns jedoch die überaus komplexen Sachverhalte erneut zu erläutern.

Richtig ist, dass der neue Stuttgarter Hauptbahnhof im Nordbereich den bestehenden S-Bahn-Tunnel über- und im Südbereich die Stadtbahn unterqueren muss. Durch diese Zwangspunkte ergibt sich eine Längsneigung der Gleise und Bahnsteige von ca. 15 Promille. Das Eisenbahn-Bundesamt sieht in der Längsneigung keine Gefährdung für einen sicheren Eisenbahnbetrieb. Andernfalls hätte die Aufsichtsbehörde der Bahn hierfür keine Genehmigung erteilt. Die Deutsche Bahn hat die notwendigen Vorkehrungen zur Gewährleistung der Sicherheit überzeugend dargestellt. Unter anderem weisen dabei die Bahnsteige eine entgegenwirkende Querneigung zur Bahnsteigmitte auf. Die ursprünglich genehmigte ein Prozent Querneigung wurde sogar auf zwei Prozent verdoppelt, um damit die Sicherheit weiter zu erhöhen.

Bereits vor der Schlichtung wurde zur Verbesserung der Durchgangssituation die Treppenanlage an dem S-Bahn Abgang am Steg A neu angeordnet und damit die Durchgangsbreiten von 2,05 m auf 2,86 m erhöht. Zusätzliche Festtreppen für jeden Bahnsteig an der Nordseite von Steg A verbessern Komfort und Evakuierungszeit. Darüber hinaus hat eine vertiefte Überprüfung der Personenverkehrsströme in einer Simulation die bestehenden Durchgangsbreiten an Steg B und C als optimale Anordnung der Fahr- und Festtreppen bestätigt.

Des Weiteren werden wir die vier Kabinenflächen der Aufzüge am mittleren Steg B von 3,8 um ca. 30 % auf 4,9 Quadratmeter erhöhen. Dadurch steigt die Beförderungskapazität und die Wartezeiten werden verkürzt.

Bei Ausfall eines Steges im Brandfall stehen zwei weitere Stege zur Evakuierung als unabhängige barrierefreie Fluchtwege zur Verfügung. Unsere Planungen sehen hierbei vor, dass die Aufzüge in den sicheren rauchfreien Bereichen durch eine Rauchüberwachung auch im Brandfall in Betrieb und nutzbar bleiben.

Anhand der Maßnahmen erkennen Sie, dass die Deutsche Bahn die Ängste der Menschen ernst nimmt und die Sicherheit der Reisenden über das gesetzlich geforderte Maß erhöht.

Wir möchten nochmal betonen, dass uns der Dialog mit Behindertenverbänden und Selbsthilfeorganisationen sehr wichtig ist, um auf deren spezifische Bedürfnisse auch eingehen zu können. Seit 2009 steht das Kommunikationsbüro in engem Kontakt mit dem Dachverband für Integratives Bauen und Planen (DIPB). Seither gibt es mit dem DIPB und dem Bündnis Barrierefreies Stuttgart 21 (BS21) eine gemeinsame, konstruktive Zusammenarbeit. Diese Unterstützung und Beratung ist wichtig, da keiner die Bedürfnisse besser kennt, als die Betroffenen selbst. Deshalb lade ich Sie ein, sich aktiv in die Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn AG über den Dachverband des DIPB einzubringen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Volker Kefer