Liebe direktzu®-Nutzer,

32.000 Menschen haben abgestimmt, mehr als 650 Fragen wurden beantwortet – dies ist die Bilanz der Bürgerdialogplattform „Direktzu Stuttgart 21“, die im September 2010 online ging. Seitdem wurde von unseren Fachleuten detailliert Stellung bezogen zu vielen Themen rund um das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm. Alle unsere Antworten auf Ihre wichtigsten Fragen finden Sie hier auf dieser Plattform.

Seit 2010 hat sich das Projekt grundlegend verändert. Es geht nicht mehr um das „ob“, sondern um das „wie“. Nach Jahren der Planung und des politischen Diskurses treten die Umsetzung des Bahnprojektes und damit die Bauarbeiten immer mehr in den Vordergrund, was an vielen Stellen der Stadt und entlang der Autobahn nach Ulm zu sehen ist.

Für die zunehmenden Fragen rund ums Bauen haben wir ein „Informationszentrum“ eingerichtet, über welches sich insbesondere betroffene Bürgerinnen und Bürger rund um die Uhr an sieben Tagen pro Woche über das aktuelle Baugeschehen informieren können.

Wir freuen uns weiterhin über Ihr Interesse an unserem Projekt.

Beantwortet
Autor Karl Lauer am 26. Juli 2013
35827 Leser · 16 Stimmen (-5 / +11)

Sonstiges / Kritik

Wer hat "bestgeplant" gesagt? Und auf welcher Grundlage?

Sehr geehrter Herr Dietrich,

Sie haben mich aufgefordert, Projektverantwortliche zu benennen, die gesagt hätten, Stuttgart 21 sei das bestgeplante Projekt aller Zeiten. Ich beziehe mich auf den Beitrag http://direktzu.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de/stuttgart21/...

Das Zitat stammt offensichtlich aus dem damaligen Bahnmanagement. So gibt es einen Aktenvermerk vom 6.November 2009 in dem das damals noch CDU-geleitete Verkehrsministerium sich von eben jenen Versprechungen der Bahn enttäuscht zeigt: "In dem sechsseitigen Papier ist von einer 'Kostenexplosion' bei dem Bahnhofsprojekt die Rede, die die Bahn erklären müsse: 'Ihre bisherigen Verlautbarungen, Stuttgart 21 sei das bestgeplante Projekt Deutschlands, hat sie selbst ad absurdum geführt.'" (http://www.sueddeutsche.de/politik/stuttgart-die-geheimen...)

Auch Nils Schmidt, heute Finanz- und Wirtschaftsminister, tönte im November 2009 für seine Partei: "Wir sind für Stuttgart 21, weil die SPD der Überzeugung ist, dass diese Planung besser ist als andere, dass die Kosten– Nutzenplanung besser ist als bei anderen." (http://blog.spd-bw.de/2010/01/13/rede-von-nils-schmid-auf...) Weder die Projektverantwortlichen noch der damalige Projektsprecher Wolfgang Drexler, ebenfalls SPD haben ihm widersprochen.

War nicht 2009 das Jahr, in dem die politische Entscheidung über Stuttgart 21 fiel? Der Finanzierungsvorbehalt lief erst im Dezember 2009 aus.

Nicht zuletzt hat der heutige Bahnchef Rüdiger Grube im Dezember 2010 eingeräumt, S21 "sei keineswegs 'das bestgeplante Bahnprojekt aller Zeiten', wie es manche Bahnmanager vermarktet hätten". (http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/milliarden-proje...) Auch dies verweist auf die Quelle der Aussage im Bahnmanagement. Fragen Sie doch dort einmal nach, das würde nicht nur mich sehr interessieren!

Zum Wert der wirtschaftlichen Gutachten zu Stuttgart 21 gab es heute einen sehr interessanten Artikel in der "Zeit": http://www.zeit.de/2013/31/stuttgart-21-gutachten

Sie haben ein entsprechendes Statement versprochen. Ich bin gespannt.

Mit besten Grüßen
K. Lauer

+6

Über diesen Beitrag kann nicht mehr abgestimmt werden, da er bereits beantwortet wurde.

Antwort
von Wolfgang Dietrich am 23. Oktober 2013
Wolfgang Dietrich

Sehr geehrter Herr Lauer,

gerne beantworte ich auch Ihre Rückfrage zur des "bestgeplanten Projekts".

In der frühen Planungsphase des Projekts Stuttgart 21 waren die verantwortlichen Ingenieure Stolz auf die Tiefe und Qualität der damaligen Planung. Zu den Besonderheiten des Projekts gehörte von Anfang an auch die Finanzierung, die von Anfang an maßgeblich zu einem großen Teil von der Bahn selbst getragen werden sollte. Das Projekt musste damit betriebs- wirtschaftlich wesentlich strengeren Anforderungen genügen als andere, im Wesentlichen volkswirtschaftlich gerechtfertigte, Projekte und wurde bereits innerhalb der Bahn entsprechend kritisch beäugt.

Ein Novum war auch die Idee, weite Teile eines großen Bahnknotens unter die Erde zu verlegen und die dabei gewonnenen Flächen der Stadtentwicklung zur Verfügung zu Stellen. Diese neue Idee, die weit über den vielfach praktizierten Neu- und Ausbau von Strecken hinausging – warf natürlich bereits innerhalb der Bahn eine Vielzahl von Fragen auf und führte auch zu zahlreichen Fachdiskussionen.

Schon als die ersten derartigen Ideen Ende der 1980er Jahre bei der damaligen Bundesbahn diskutiert wurden, wurden diese Gedanken natürlich kritisch hinterfragt. Im Laufe der Jahre schauten dem Projekt eine Vielzahl von internen und externen Gutachtern auf die Finger, mussten unzählige kritische Fragen beantwortet und abgearbeitet werden. Allein die Zahl der im Laufe der Jahre durchgeführten wirtschaftlichen Prüfungen lässt sich heute kaum noch überblicken.

In den frühen Jahren des Projekts war der Aufwand, der für die Planung betrieben wurde, damit durchaus ungewöhnlich. Das Vorhaben konnte daher als durchaus "bestgeplant" unter Projekten vergleichbarer Planungstiefe im Portfolio der Deutschen Bahn AG gelten.

Es dauerte fast ein Jahrzehnt, bis das Vorhaben den Projektstopp um die Jahrtausendwende überwunden hatte. Die Zeiten hatten sich geändert, neue Diskussionen entstanden und auch die Bahn hat sicherlich ihre Fehler gemacht. Dazu haben wir insbesondere im Umfeld der Aufsichtsratssitzungen vom 12. Dezember 2012 und 5. März 2013 eingehend Stellung und dabei auch kein Blatt vor den Mund genommen.

Dennoch ist nach unserem Kenntnisstand eine derart weitreichende Aussage wie "bestgeplantes Bahnprojekt aller Zeiten" seitens der Projektverantwort- lichen nie direkt gefallen. Ein Blick in Zeitungsarchive zeigt vielmehr, dass diese Aussage erst ab 2009 und zunächst nur von Projektgegnern verwendet wurde. Es scheint, als sei die Behauptung, eine von vielen Legenden, die das Projekt Stuttgart 21 umgeben.

Insofern stehen wir zu unserer Aussage und lassen uns gerne – mit entsprechendem Beleg – eines Besseren belehren.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Dietrich